Der Plauener Liedermacher Jens Bühring im
Gedenkgottesdienst in der Schwarzenbacher
Sankt-Gumbertus-Kirche. Foto: Pr.
Redaktion
Eindringlich sind Lieder und Texte beim Schwarzenbacher
Gedenkgottesdienst für die Opfer des Nationalsozialismus.
Schwarzenbach an der SaaleDer 27.
Januar ist seit vielen Jahren der vom ehemaligen
Bundespräsidenten Roman Herzog initiierte Gedenktag für die
Opfer des Nationalsozialismus. In Schwarzenbach an der Saale
organisiert alljährlich der Verein gegen das Vergessen mit
der evangelischen und der katholischen Kirchengemeinde, der
VVN-BdA, der Initiative gegen Rechtsextremismus und
Ausländerfeindlichkeit und der
Geschwister-Scholl-Mittelschule einen Gedenkgottesdienst.
Heuer ist es 80 Jahre her, dass das große
Vernichtungskonzentrationslager Auschwitz von der Roten
Armee befreit wurde. Tausende Überlebende mussten mit dem
Chaos des Weiterlebens zurecht kommen.
Der Gottesdienst in der gut gefüllten
Sankt-Gumbertus-Kirche begann mit dem Glockenläuten und zwei
Minuten Stille. Roland Marx las den Text „Wir beginnen mit
Schweigen“: Schweigen gegenüber dem Leid, von dem man
erfährt, gegenüber den Verbrechen, die offenkundig werden.
Das Schweigen der Bevölkerung während der Nazizeit und
danach ist immer noch sprichwörtlich. Zu vielen der
Gräueltaten fehlen uns heute immer noch die Worte.
Pfarrerin Annett Treuner begrüßte die
Gottesdienstbesucher; alle Texte und Beiträge befassten sich
mit den Opfergruppen, die betroffen waren von den
Gräueltaten der Nazis: Mütter und Kinder, Schüler, Lehrer,
Schwule und Lesben, Roma und Sinti, Menschen mit Behinderung
und Kriegsverletzungen, Alte und Junge. Niemand war sicher.
Der Plauener Liedermacher Jens Bühring erklärte
eindringlich die Herkunft und die Gründe der Entstehung der
Lieder, die er vortrug. Das bekannteste Lied aus den
Konzentrationslagern, das Lied „Wir sind die Moorsoldaten“,
klingt anklagend, resignierend und doch voller Hoffnung. Zum
Teil wurden die Lieder unter dem Druck der Nazischergen
komponiert. „Wiegala, Wiegala“ von Ilse Weber hat einen ganz
anderen Hintergrund: Sie sang das Lied, als sie sich bereits
mit Kindern in der Gaskammer befand – die Geschichte dazu
kann sich kaum mehr jemand vorstellen: Ilse Weber traf vor
der Gaskammer einen Freund ihres Sohnes, der dem
Sonderkommando angehörte; diese Männer mussten die
Gaskammern räumen und die Leichen verbrennen. Er konnte ihr
noch sagen, wie der Tod am schnellsten eintritt.
Drei Konfirmanden trugen die Fürbitten vor: „Vieles auf
der Welt macht uns traurig oder erfüllt uns mit Angst.“ So
begann jede Bitte. „Wir bitten für alle, die von Krieg und
Verfolgung bedroht werden oder auf der Flucht sind. Wir
bitten für die vielen Kinder, Frauen und Männer, die ohne
jede Sicherheit leben müssen und vor Willkürentscheidungen
der Mächtigen nicht geschützt sind. Lass diejenigen, die
sich für die Menschenrechte anderer einsetzen, immer wieder
Wege finden, den Bedrängten zu helfen. Wir bitten dich für
die Mächtigen dieser Welt, dass nicht Macht- und Profitgier
ihre Entscheidungen bestimmen.“ Dieter Jung segnete die
Gottesdienstbesucher zum Abschied.
Nach dem gemeinsamen Lied „Freunde, dass der Mandelzweig
wieder blüht und treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, dass
die Liebe bleibt“ ertönte von der Orgel Musik des jüdischen
Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy; erst leise, dann
immer kraftvoller füllte die Musik den Kirchenraum. Erstmals
war Christine Findeis-Dorn an der Orgel in der
Sankt-Gumbertus-Kirche zu hören.
Bericht
Amtsblatt
Gedenken an die Opfer des
Nationalsozialismus
Das Bild zeigt den Plauener Liedermacher Jens Bühring beim
Gedenkgottesdienst in der Schwarzenbacher St. Gumbertus-Kirche.
Die St. Gumbertuskirche war voller Menschen beim Ökumenischen
Gottesdienst am Abend des 27. Januar. Genau 80 Jahre ist es her, dass die
Rote Armee an diesem Tag das Konzentrationslager Auschwitz befreite. Dieser
besondere Jahrestag war Thema in allen Medien - nur wenig passt eine
Untersuchung dazu, die belegt, dass zehn Prozent aller Bundesbürger mit dem
Begriff "Holocaust" nichts anfangen können; dass Schülerinnen und Schüler
nichts wissen über die bedrückenden Ereignisse und die Verbrechen von
damals. Der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog erklärte den 27.
Januar im Jahre 1996 zum Gedenktag für alle Opfer des Nationalsozialismus.
In Schwarzenbach wird seit vielen Jahren in der St. Gumbertus-Kirche an die
Ereignisse von 1945 gedacht. Frau Pfarrerin Treuner von der Evangelischen
Kirchengemeinde begrüßte die Besucherinnen und Besucher zu diesem
Gottesdienst und stellte den Zusammenhang zur aktuellen Bedeutung heraus.
"Wir
beginnen mit Schweigen". Mit ruhiger Stimme liest Roland Marx den Text.
Schweigen gegenüber dem Unrecht, Schweigen gegenüber dem Leid, von dem man
erfährt. Das Schweigen der Bevölkerung während der Nazizeit und auch danach
ist immer noch sprichwörtlich. Zu vielen der Gräueltaten fehlen uns heute
immer noch die Worte. Dann aber befassen sich alle Texte und Beiträge
deutlich mit den Opfergruppen, die betroffen waren von den Gräueltaten der
Nazis: Müttern und Kindern, Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und
Lehrer, Schwule und Lesben, Roma und Sinti, Menschen mit Behinderungen und
Kriegsverletzungen, Alte und Junge. Niemand war sicher.
Fast schon ein bisschen Geschichtsunterricht gibt der Plauener
Liedermacher Jens Bühring. Er erklärte eindringlich die Herkunft und die
Gründe der Entstehung der Lieder, die er vorträgt. Das bekannteste Lied aus
den Konzentrationslagern "Wir sind die Moorsoldaten" klingt anklagend,
resignierend und und gleichzeitig doch voller Hoffnung. Überhaupt erläutert
er die Geschichte mancher Lieder, zum Teil wurden sie unter dem Druck der
Nazischergen komponiert. Das Lied von Ilse Weber "Wiegala, Wiegala" hat
einen ganz anderen Hintergrund, sie sang es, als sie sich bereits mit
Kindern in der Gaskammer befand - die Geschichte dazu kann sich kaum mehr
jemand vorstellen: Ilse Weber traf vor der Gaskammer einen Freund ihres
Sohnes, der dem Sonderkommando angehörte. Die Männer dieses Kommandos
mussten die Gaskammern räumen und die Leichen verbrennen. Er konnte ihr noch
sagen, wie der Tod am schnellsten eintritt.
Die Fürbitten werden von drei Schwarzenbacher Konfirmanden vorgetragen:
"Vieles auf der Welt macht uns traurig oder erfüllt uns mit Angst." So
beginnt jede Bitte. "Wir bitten für alle, die von Krieg und Verfolgung
bedroht werden oder auf der Flucht sind. Wir bitten für die vielen Kinder,
Frauen und Männer, die ohne jede Sicherheit leben müssen und vor
Willkürentscheidungen der Mächtigen nicht geschützt sind. Lass diejenigen,
die sich für die Menschenrechte anderer einsetzen immer wieder Wege finden,
den Bedrängten zu helfen. Wir bitten dich für die Mächtigen dieser Welt,
dass nicht Macht- und Profitgier ihre Entscheidungen bestimmen." Aktueller
können Fürbitten nicht sein. Dr. Dieter Jung segnet die Gottesdienstbesucher
zum Abschied.
Nach dem letzten gemeinsamen Lied "Freunde, dass der Mandelzweig wieder
blüht und treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt"
ertönt von der Orgel Musik des jüdischen Komponisten Felix
Mendelssohn-Bartholdy; erst leise, dann immer kraftvoller füllt die
wunderbare Musik den Kirchenraum. Ein großer Dank geht an Christine
Findeis-Dorn, die an diesem Abend erstmals an der Orgel in der St.
Gumbertus-Kirche zu hören war, und an alle Mitwirkenden für diesen
bewegenden Gottesdienst.
Junge Gewerkschaftler zu Besuch in der "Gedenkstätte Langer Gang"
Die Teilnehmerinnen und
Teilnehmer eines Wochenendseminar der Ortsjugendausschüsse der IG Metall
Ostoberfranken, Ulm und Dresden-Riesa besuchten am vergangenen Samstag die
Gedenkstätte Langer Gang. Nanne Wienands begleitete die 24 jungen Leute
durch die Gedenkstätte, anschließend kam man im Konferenzraum im
Erika-Fuchs-Haus zusammen, um den von Ludwig Mertel zusammengestellten Film
über die Befreiung des Konzentrationslagers in Helmbrechts und die Folgen
des Todesmarsches der über 1000 Frauen und Mädchen nach Volary im heutigen
Tschechien zu erleben. Im Anschluss wurden viele Fragen gestellt, die
bestätigten, dass überregionale Zusammenarbeit und der Austausch
untereinander wichtig ist für die weitere gewerkschaftliche und politische
Arbeit. Vor allem die Besonderheiten der Schwarzenbacher Gedenkstätte wurden
detailliert besprochen: das kurze Bestehen des Lagers in Helmbrechts, die
juristische Aufarbeitung der Verbrechen des Lagerleiters, die frühe
Dokumentation der Fakten durch den Helmbrechtser Klaus Rauh und das weitere
Leben einzelner Frauen, die den Todesmarsch überlebt hatten.
- zwei der
Besucher vor den Tafeln am Eingang zur Gedenkstätte
-
das Gruppenbild nach dem Besuch des "Langen Gangs".
Pressebericht
20 Jahre Gedenkstätte Langer Gang in Schwarzenbach/Saale oder
"Der
Wert von Erinnerungsarbeit"
Mit Frau Dr. Andrea Rudorff vom Fritz-Bauer-Institut aus Berlin hatte der
Verein gegen das Vergessen e. V. die richtige Referentin für diesen Abend
ausgewählt. Zum zwanzigjährigen Bestehen der Gedenkstätte "Langer Gang""
hatte der Verein in das Evangelische Gemeindehaus in Schwarzenbach an der
Saale eingeladen. Im ehemaligen Nebengebäude des Gemeindehauses befindet
sich die Gedenkstätte, das Gebäude heißt im Volksmund schon immer "Langer
Gang". Die Gedenkstätte erinnert an den Todesmarsch, auf den 1170 Frauen und
Mädchen am 13. April 1945 in Helmbrechts getrieben wurden.
Aber woher
kamen diese Frauen? Was für ein Schicksal hatten sie vor diesem Todesmarsch,
der von Helmbrechts bis nach Volary im heutigen Tschechien führte und viele
Frauen das Leben kostete? Hier begannen die Ausführungen von Frau Dr.
Rudorff, die als Historikerin die Frauenkonzentrationslager erforscht. Zwei
Außenlager des Konzentrationslagers Groß-Rosen im heutigen Polen waren die
Lager Schlesiersee I und Schlesiersee II. Dorthin wurden im Oktober 1944
etwa 2000 jüdische Mädchen und Frauen gebracht, viele von ihnen kamen aus
dem berüchtigten Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Die
Nationalsozialisten hatten der niederschlesischen Kleinstadt Schlawa ihren
slawisch klingenden Namen genommen und sie in "Schlesiersee" umbenannt, weil
sie an eben diesem See liegt. Ursprünglich stammten die Frauen aus ganz
Europa. Unter strenger Bewachung, bei menschenunwürdiger Unterbringung und
unzureichender Ernährung mussten sie in Schlesiersee Panzergräben ausheben.
Der gefrorene Boden stellte die Frauen, die sich in einem erbarmungswürdigen
Zustand befanden, aber als arbeitsfähig eingestuft waren, vor große
körperliche Herausforderungen. Frau Dr. Rudorff erklärte, dass zahllose
nationalsozialistische Verbrechen nicht nur an den bekannten Konzentrations-
und Vernichtungslagern begangen wurden, sondern auch in den vielen
Nebenlagern, deren Verwaltung z. B. in Groß-Rosen oder auch in Flossenbürg
erfolgte. "Vor Ort erinnert nicht mehr viel an die Lager, aber die Gräben in
Schlesiersee sind zum Teil noch vorhanden," erläuterte die Referentin.
Sie erweiterte ihren Vortrag mit einigen Lebensgeschichten, mit Belegen,
Zeichnungen, die eine unbekannte Gefangene angefertigt hat, und Dokumenten
aus verschiedenen Archiven und Kirchenbüchern.
Weil sich die Rote Armee auf die Grenzregionen zubewegten, trieb man Frauen
aus den Lagern in Grünberg in Schlesien und Schlesiersee Richtung Westen. Im
Winter 1944/45 mussten die Frauen wochenlang durch Schnee und Frost laufen.
Am 6. März 1945 erreichten die Überlebenden das KZ Helmbrechts. Arbeiten
konnten sie nicht mehr, dafür war die Erschöpfung zu groß, die Erkrankungen
zu schlimm. Viele waren während des Marsches gestorben oder ermordet worden.
Es ist ein Zufall, dass vor etwa zwei Jahren eine junge Studentin der
Münchberger Hochschule das Thema grafisch sichtbar gemacht hat: auf einer
Landkarte hat sie eingezeichnet, wie sich die Zahl der Frauen auf dem Weg
von Grünberg und Schlesiersee über Helmbrechts und Zwodau nach Volary und
Prachatice verringert hat. Nanne Wienands, die durch den Abend führte,
erklärte dazu ihre eigene These, dass dieser Verlust an Menschenleben wohl
das Ziel der Todesmärsche gewesen sein könnten.
Erster Vorsitzender Hartmut Hendrich hatte den Abend eröffnet und war mit
einer Einschätzung der derzeit ansteigenden Zahlen antisemitischer
Übergriffe auf die gegenwärtige demokratiegefährdende politische Situation
eingegangen. Mit der Aussage "Nie wieder ist jetzt" rief er die Anwesenden
zu Mut und Sensibilität auf. Er dankte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
im Vorstand des Vereins für die langjährige Zusammenarbeit und freute sich,
einen ganz besonderen Gast begrüßen zu können: Landrat Dr. Oliver Bär war
gekommen, um die Arbeit des Vereins zu würdigen. In seinem Grußwort betonte
er die Bedeutung der schleichenden Veränderungen im Alltag einer
Gesellschaft, wenn Kräfte an die Macht kommen, für die nicht alle Menschen
gleich sind. Die Bedeutung unserer Demokratie wird dann deutlich sichtbar,
wenn sie durch diese Kräfte gefährdet wird. Er erinnerte auch an eine ganz
andere Seite demokratischer Wirkung, denn er kam von der Eröffnung einer
Ausstellung in Mödlareuth über die Tage der Grenzöffnung im Jahr 1989.
Weitere ganz besondere Gäste des Abends, der sehr gut besucht war, waren
Bürgermeister Hans-Peter Baumann mit Gattin, zweiter Bürgermeister Michael
Haas sowie dritter Bürgermeister Bertram Popp, Pfarrerin Dr. Johanna Lunk
und die Hofer Stadträtin Gudrun Kiehne. Die Mitarbeiterinnen des
Förderprogramms des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend "Demokratie leben in der Mitte Europas", Gesa Marxsen und Hanna
Vinichuk, konnten ebenso begrüßt werden wie eine Abordnung der Schwestern
der Christusbruderschaft Selbitz. Die Bildungsarbeit, die "Demokratie leben"
fördert, erreicht alle beteiligten Menschen unmittelbar.
Den Abschluss des Abends bildete die Öffnung der Gedenkstätte für alle, die
sie noch nicht kannten. Zeitgleich zeigte Günter Niepel im Gemeindehaus
Bilder aus den ersten Jahren der Planung, Sanierung und Einrichtung des
"Langen Gangs" mit den Künstlern Udo Rödel und Dr. Klaus Schroeter aus
Münchberg und Dietrich Kelterer aus Plauen, sowie Ludwig Mertel. Zu sehen
waren auch die vielen Unterstützerinnen und Unterstützern, Besucherinnen und
Besuchern der vergangenen zwanzig Jahre. Der Wert von Erinnerungskultur
liegt darin, dass sich jede und jeder Einzelne bewusst machen sollte, was
"Nie wieder ist jetzt" bedeutet: Ausgrenzung, Intoleranz und Rassismus
dürfen in unserem Zusammenleben und unserer Gesellschaft keinen Platz haben.
Nie wieder.
Das Bild zeigt
- Frau Dr. Andrea Rudorff und Nanne Wienands beim Gespräch über den Vortrag
"Die Todesmärsche aus den Lagern Grünberg und Schlesiersee" - Günter
Niepel mit einem der Bilder aus der Geschichte der Gedenkstätte "Langer
Gang".
Pressebericht Den Frauen eine Stimme geben
Im Rahmen der "Langen Nacht der Demokratie" fand eine
besondere Stunde im nächtlich dunklen Gemeindesaal statt. Bereits bei den
ersten Worten von Hartmut Hendrich, 1. Vorsitzender des Vereins gegen das
Vergessen e. V., der in Schwarzenbach die Gedenkstätte "Langer Gang"
betreut, wurde es ruhig, sehr ruhig im Publikum. Hendrich führte in das
Thema ein:
"Am 20. Januar 1945 wurden etwa 1000 weibliche
Häftlinge aus dem Lager Schlesiersee, dem heutigen Ort Sława im Westen
Polens evakuiert, einer Region, die an Deutschland annektiert worden war.
Die Frauen wurden auf einen Todesmarsch in Richtung Südwesten gezwungen.
Unterwegs kamen die Gefangenen durch andere Lager, wo sich weitere Frauen
dem Marsch anschließen mussten. Etwa 670 Frauen kamen im KZ Helmbrechts an,
viele von ihnen starben dort an Krankheit und Erschöpfung. Gemeinsam mit den
dort bereits zur Zwangsarbeit untergebrachten Frauen mussten sie am 13.
April 1945 wieder aufbrechen. Am 5. Mai 1945, nachdem für die aus
Schlesiersee stammenden Frauen eine Entfernung von insgesamt über 800
Kilometern zurückgelegt worden war, endete der Marsch in der Stadt Wallern,
heute Volary in Tschechien, unweit der Grenze zu Deutschland und Österreich.
Insgesamt lagen 106 Tage harten Marschierens durch den Schnee hinter den
Frauen. 106 Tage und Nächte nagenden Hungers, der Krankheit, der Demütigung
und des Mordens. Von den ungefähr 1300 Frauen, die nach Volary laufen
mussten, überlebten etwa 350."
Den Frauen wurde an diesem Abend ihre Stimme gegeben.
Birgit Schreier und Nanne Wienands lasen abwechselnd u. a. die
erschütternden Worte der Russin Natalia Margan, die sie den amerikanischen
Untersuchungsbehörden zu Protokoll gab. Lise Drosdor, 19 Jahre alt,
berichteteüber die Aufseherin Herta Haase und den Aufseher Walter Kowaliv:
„Herta Haase hat mich viel geschlagen, fast jeden
Tag. Sie schlug mit einem Gummischlauch. Meistens wusste ich nicht, wofür
ich geschlagen wurde. Auch hat sie mich mit Stiefeln und den Füßen gestoßen.
Walter Kowaliv hat mich auch sehr viel geschlagen. Er schlug mit dem
Karabiner auf meinen Kopf. Meistens schlug er so wild, dass ich blutete.
Auch er hat mich mit den Stiefeln gestoßen.“
Anna Gumbinger, eine weitere Häftlingsfrau,
berichtete zu Herzen gehend über die Quälerei, die zwei geflüchtete
Gefangene ertragen mussten; eine davon war eine jüdische Ärztin, die ihren
Mitgefangenen oft geholfen hatte - ohne Medikamente und Verbandszeug, das
bekamen Gefangene nicht.Bluba Beilowitz beschrieb den Weg ihrer
Familie in die Todeslager, sie selbst musste von Schlesiersee bis Volary
laufen. Eva Abrams und Emma Fraaß, Tema Weinstock und Hana Kotlicki, Herta
Zaubermann und die Mutter von Rita Abraham berichteten vom Hunger und den
Ermordungen während des Marsches. Luba Dzilovski und Gerda Klein kamen zu
Wort. Auch die Eindrücke des amrikanischen Majors Aaron S. Cahan werden
berichtet, und die Tatsache, dass in Volary nach der Befreiung nicht alle
Frauen vor dem Tod gerettet werden konnten; viele starben dort an den Folgen
von Misshandlung, Hunger und Erschöpfung. Die Gedanken des amerikanischen
Arztes Charles Frazer bewegen die Zuhörenden; beschreibt er doch, dass knapp
zwanzigjährige Mädchen und Frauen aussahen, als wären sie 70 Jahre alt.
Ausführlich kommt Amalie Mary Robinson zu Wort, deren Lebensweg in Buchform
festgehalten wurde.
Das versöhnlich stimmende, aber auch mahnende Ende
der Stunde bestand aus den Worten von Klaus Rauh und dem Helmbrechtser
Bürgermeister Stefan Pöhlmann, vorgelesen aus der Dokumentation über das
Lager Helmbrechts und den Todesmarsch: "Dem Erstarken rechter Tendenzen
müssen wir in aller Entschiedenheit entgegen treten. Wer das nicht tut,
gefährdet die Demokratie. Gerade unsere Jugend muss dafür stark sein, und
stark gemacht werden – durch eine gute Bildung und eine breite
Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus. Es muss immer
wieder daran erinnert werden, wozu Menschen fähig sind. Freiheit muss von
Mal zu Mal neu erkämpft werden, Demokratie ist nicht selbstverständlich. Wir
alle müssen „Demokratie leben“. In Helmbrechts und überall wollen wir dies
voller Überzeugung tun und nicht nachlassen in unseren Bemühungen, für
Frieden, Versöhnung, Respekt und Toleranz einzutreten.“
Die Bilder zeigen
- einen Blick in die Gedenkstätte "Langer Gang" -
vlnr: Nanne Wienands, Hartmut Hendrich, Birgit Schreier bei der Lesung
Spende
von der IGMetall
an den
Verein gegen das Vergessen e. V.
Pressebericht
Amtsblatt
Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus
27.01.2024
Das Bild zeigt
Nanne
Wienands an der neue Hinweistafel am
Schwarzenbacher Friedhof, unmittelbar hinter der Friedhofskapelle.
Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus
Sehr gut besucht war der diesjährige ökumenische
Gottesdienst am Abend des 27. Januar. Vor 79 Jahren befreite die Rote Armee
an diesem Tag das Konzentrationslager Auschwitz. Schockierende Bilder
begleiten die Welt seit diesem Tag. Der ehemalige Bundespräsident Roman
Herzog erklärte den Tag im Jahre 1996 zum Gedenktag für alle Opfer des
Nationalsozialismus. In Schwarzenbach wird seit vielen Jahren in der St.
Gumbertus-Kirche an die Ereignisse von 1945 gedacht. Pfarrer Daniel Lunk von
der Evangelischen Kirchengemeinde begrüßte die Besucherinnen und Besucher zu
diesem Gottesdienst und stellte seine aktuelle Bedeutung heraus. Sein Dank
galt dem Team, das alljährlich diese Stunde gestaltet. "Wir beginnen mit
Schweigen". Eindrucksvoll liest Roland Marx diesen Text. Schweigen gegenüber
dem Unrecht, Schweigen gegenüber dem Leid, von dem man erfährt. Dann aber
sind alle Texte und Beiträge alles andere als Schweigen; es sind deutliche
Worte, die genau benennen, welche Opfergruppen betroffen waren von den
Gräueltaten der Nazis. Die jungen Stimmen des Rehauer Chores "link to
heaven" unter der Leitung von Ursula Dollinger machen einmal mehr klar: auf
die Jugend wurde keine Rücksicht genommen im sogenannten Dritten Reich. In
den Lagern, im Krieg und im Alltag litten Kinder und Jugendliche, nur wenige
überlebten den Krieg.
Von zwei Kindern handelte auch der Impuls, den
Nanne Wienands ausgewählt hatte. Der irische Schriftsteller John Boyne
schrieb im Jahre 2006 das Buch "Der Junge im gestreiften Pyjama". Die
beeindruckende Geschichte, berichtet von dem Sohn des Kommandanten von
Auschwitz. Der neunjährige Bruno trifft an dem Zaun, hinter dem er nur
Menschen in gestreifter Kleidung herumlaufen sieht, einen ebenfalls
neunjährigen Jungen: Schmuel. Die beiden freunden sich rasch an; mit seinem
kindlich-naivem Blick kann Bruno die schrecklichen Lebensumstände seines
Freundes nicht erfassen. Aber er möchte wissen, was sich hinter dem
Verschwinden dessen Vaters verbirgt; er möchte seinem Freund bei der Suche
nach dessem Vater helfen. Dieser besorgt einen "gestreiften Pyjama" aus
einer Baracke, in der Kleidung gesammelt wird. Bruno lässt seine eigenen
Kleider am Zaun liegen. Bald werden die Kinder von Soldaten in eine Halle
getrieben ... Die Geschichte geht nicht gut aus. Wienands ging darauf
ein, dass dieses Buch auch Kritik hervorgerufen hat: einmal, weil es in den
Lagern keine herumlaufenden Kinder gab. Sie wurden sofort nach der Ankunft
umgebracht und verbrannt. Und weil das Buch eher Mitleid mit Bruno, einem
Angehörigen der Täter erregt; und die hohe Zahl von 1,5 Millionen Kindern
und Jugendlichen, die willkürlich verfolgt, geschunden und ermordet wurden,
in den Hintergrund gerät. "Dieses Phänomen, den Tätern mehr Aufmerksamkeit
zu geben als den Opfern, kann jede und jeder von uns sofort ändern", betonte
Nanne Wienands. Das Buch, das auch verfilmt wurde, sollte auch heute noch
in keinem Haushalt fehlen.
Sichtlich bewegt segnete und verabschiedete der
katholische Pfarrer Dr. Dieter Jung die Anwesenden nach dem Lied "Freunde,
dass der Mandelzweig sich in Blüten wiegt...". Die jungen Frauen des Chors
verabschiedete die Gottesdienstbesucher auf ihre Weise: modern, schwungvoll
und mit der Hoffnung auf Frieden und Liebe.
Günter Niepel lud abschließend zum Gang über den
Friedhof zur Gräberzeile der Opfer ein. Fackeln erhellten den Weg. An dem
neuen Schild, das der Verein gegen das Vergessen e. V. erst im Herbst dort
aufgestellt hat, rief Nanne Wienands alle Anwesenden dazu auf, sich um die
Geflüchteten in der Stadt zu kümmern. "Wir haben gerade für alle Menschen
auf der Flucht, für alle Menschen in Bedrängnis gebetet. Die Türen sind
offen - bitte sprechen Sie die jungen Menschen an!" ermunterte sie zur
Kontaktaufnahme. Zwei junge Syrer hatten Gottesdienst und das Gedenken an
den Gräbern begleitet; sie freuten sich über die Gemeinschaft und das
Kennenlernen dieser Tradition.
Helmbrechts findet klare Worte
In Helmbrechts
legten sie zum Gedenken Gebinde nieder. Foto: Werner Bußler
PRESSEBERICHT Frankenpost
Werner Bußler10.11.2023
Bürgermeister
und einige Bürger nutzen den 9. November um der Pogrome von 1938 zu
gedenken. Dabei positionieren sich die Redner deutlich.
In vielen
Städten und Gemeinden wird am 9. November neben vielen anderen Ereignissen,
die dieses Datum zum deutschen Schicksalstag machen, in Gedenkfeiern an die
Pogromnacht von 1938 erinnert. Damals organisierte das
nationalsozialistische Regime Gewaltmaßnahmen in Deutschland und Österreich
gegen Juden. Schergen der der SS und der NSDAP ließen damals über 1200
Synagogen in Flammen aufgehen, zerstörten jüdische Friedhöfe misshandelten
Menschen und demolierten Geschäfte, deren Inhaber jüdischen Glaubens waren.
Danach wurden seitens des Regimes zahlreiche Menschen ermordet oder in
Konzentrationslagern unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert. Die
Gräueltaten sollen nicht in Vergessenheit geraten, deshalb heißt es am 9.
November in vielen Orten: „Nie wieder“.
Auch
Helmbrechts hat bekanntlich ein dunkles Kapitel der Stadtgeschichte mit dem
KZ-Außenlager Flossenbürg. Von da aus startete am 13. April 1945 ein
Todesmarsch in Richtung Volary, währenddessen Frauen jüdischen Glaubens
geschunden wurden und nicht wenige die Tortur nicht überlebten. Daher findet
am Jahrestag immer eine Zusammenkunft statt, die ein Signal der Toleranz
senden soll. Aber auch am 9. November versammeln sich Menschen am
Gedenkstein am Friedhof, um sich deutlich gegen Gewalt und zunehmende
Antisemitismus-Tendenzen zu positionieren.
Angesichts
aktueller Vorkommnisse müsse man überlegen, ob diese Gedenkfeiern und
Aufrufe etwas gebracht haben, fragte Bürgermeister Stefan Pöhlmann
provokant. Doch er sagte weiter, man dürfe nicht nachlassen, auf die
schrecklichen Ereignisse hinzuweisen und den Rechtsextremismus in der
Gesellschaft auch zu benennen. Viele Wähler, die als Protestwähler gelten,
wüssten aber leider genau, was sie tun, wenn sie Parteien mit deutlich
rechtsextremem Gedankengut wählen. Spricht man diese Leute darauf an, warum
sie unzufrieden sind, nennen sie einfache Parolen, haben aber selbst keine
Antworten und sehen als Lösung nur einen Angriff auf die Freiheit und die
Demokratie. Diese Errungenschaften müsse man aber verteidigen. Zudem sei es
wichtig, jüdisches Leben gegen Angriffe zu schützen.
Hartmut
Hendrich vom Verein gegen das Vergessen sagte, die diesjährige Feier werde
dominiert von aktuellen Konflikten. Im größten Massaker seit dem Holocaust
überwanden Mordkommandos der islamischen Hamas die israelischen Grenzanlagen
und töteten über 1400 Menschen. „Wir trauern um die Tausenden von Opfern auf
israelischer Seite und ebenso um unschuldige Palästinenser.“ Der Redner
erwähnte dann antisemitische Straftaten, die sich in Deutschland häuften und
auch die teils unverhohlene Zustimmung zu antisemitischen Aussagen ist
erschreckend hoch. „Wir müssen alles tun, damit Jüdinnen und Juden in
Deutschland sicher leben können. Nie wieder ist jetzt.“
Pfarrer
Andreas Schmidt betonte, ein Volk könne sich nicht wegducken von
Antisemitismus und auch nicht von seiner Geschichte, sondern müsse diese
annehmen und daraus Lehren ziehen. Das aus der Historie gewachsene
Bewusstsein für Recht und Unrecht müsse man schon bei Kindern in der Schule
verankern. Israel, so stellte er ausdrücklich fest, sei die Heimstatt des
jüdischen Volkes. Es folgten stille Minuten des Gedenkens. Gebinde waren
bereits vorher am Mahnmal niedergelegt worden.
Pressebericht
Das Bild zeigt die neue Hinweistafel am
Schwarzenbacher Friedhof, unmittelbar hinter der Friedhofskapelle.
Seit vergangener Woche
steht am Friedhof in Schwarzenbach an der Saale eine neue Hinweistafel, und
zwar am Gräberfeld der Opfer aus der Nazizeit. Recherchiert und
verwirklicht, in Auftrag gegeben und nun letztendlich aufgestellt wurde die
Tafel vom Verein gegen das Vergessen e. V., der seit zwanzig Jahren in
Schwarzenbach aktiv ist und die Gedenkstätte "Langer Gang" in der
Schwarzenbacher Bahnhofsstraße betreut. "Wir denken es ist höchste Zeit,
endlich darauf hinzuweisen, dass unser Friedhof auch eine letzte Ruhestätte
für Menschen geworden ist, die in den Wirren des Kriegsendes 1945 ums Leben
gekommen sind, und deren Heimat weit entfernt war;" meint Nanne Wienands, 2.
Vorsitzende des Vereins. Gemeinsam mit Günter Niepel hat sie sich um die
Aufstellung der neuen Tafel gekümmert. Für die Recherchearbeit wurde neben
Aufzeichnungen der Schwarzenbacher Stadtverwaltung auch das bekannte
"Arolsen Archive" in Anspruch genommen. Dorthin pflegt der Verein gute
Kontakte. Drei Personengruppen werden auf der Tafel aufgeführt: zum
einen starben in Schwarzenbach Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die
in den ansässigen Betrieben arbeiten mussten. Gedacht ist an die Frauen des
Todesmarsches vom Konzentrationslager Helmbrechts nach Volary im heutigen
Tschechien; mindesten sechs von ihnen starben in der Nacht vom 13. auf den
14. April 1945. Andere Quellen nennen sogar zehn tote Frauen. Dazu kamen
weitere Opfer aus Konzentrationslagern, die auf ihrem Weg durch unsere
Region starben oder ermordet wurden. Letztlich wurden auch Soldaten und
Kriegsgefangene unterschiedlicher Herkunft nach Schwarzenbach zum Friedhof
gebracht. Bis heute kommen ständig bisher unbekannte Fakten über die
Kriegsereignisse ans Tageslicht. "Das Chaos der damaligen Zeit ist heute
schwer vorstellbar. Unser Anliegen heißt 'Niemand soll vergessen sein'!"
meinen die Aktiven vom Verein gegen das Vergessen e. V..
Die Gedenkstätte
"Langer Gang" ist wieder am Sonntag, 5. November 2023 von 14 bis 16 Uhr
geöffnet.
Großartig war dieser Abend
mit den beiden Musikern; handgemacht und selbst gesungen; traurige,
fröhliche, besinnliche und zu Herzen gehende alte und neue Lieder waren zu
erleben. Kraftvoll und emotional sangen sich Sonja & Wulli in die Herzen der
Gäste im Schwarzenbacher Hinterhalt. Sie nahmen das Publikum mit auf eine
Art Reise durch ganz unterschiedliche Musikrichtungen. Deutsche und
englische Liedtexte waren zu hören, und ihre eigenen Werke und Kompositionen
vervollständigten den Abend. "Songs für das Leben, die Liebe und den
Frieden" - wie ein roter Faden zog sich die Vorankündigung durch das
Programm. Auch die Verarbeitung der eigenen Belastung durch die Corona-Zeit
fand ihren Platz mit dem Lied "Einfach nur müde".
Der Verein
gegen das Vergessen e. V. hatte diesen Abend organisiert, nachdem vor exakt
zwei Jahren nur zwanzig geladene Gäste zur Feier des zwanzigjährigen
Bestehens des Vereins dabei sein durften. Voll besetzt war der Zuschauerraum
der Kleinkunstbühne Hinterhalt diesmal; die Besucher drängten sich um die
Plätze. Werden Sonja & wulli wiederkommen? Man wird sehen. Wer den Abend
verpasst hat, kann sich jedenfalls auf ihrem YouTube-Kanal einen Eindruck
verschaffen. Ein Tisch voller CD's der Musiker und Informationen des Vereins
vervollständigten den Abend.
Pressebericht Neue Pläne beim Verein gegen das Vergessen e. V.
Die Neuwahlen bei der Jahreshauptversammlung des Vereins gegen das Vergessen
e. V. in Schwarzenbach/Saale brachten keine Überraschung: der alte Vorstand
ist wieder einmal der neue Vorstand. Erster Vorsitzender wurde
erwartungsgemäß Hartmut Hendrich aus Hof, zweite Vorsitzende ist wieder
Nanne Wienands aus Schwarzenbach/Saale, die Kasse wird von Regina Scholz aus
Oberkotzau verwaltet, Schriftführerin ist Birgit Schreier aus
Schwarzenbach/Saale; als Kassenprüfer agieren Gabriela Möckel und Bertram
Popp. Auch die Beisitzer sind wieder im bewährten Team: Francesca Hilgner,
Günter Niepel und Michael Stumpf. Der Vorstandswahl unter der Leitung von
Ulrike Dierkes-Morsy aus Hof waren vor allem die Berichte der Vorstandschaft
vorangegangen. Trotz der Pandemie mit allen ihren Einschränkungen waren
die Besucherzahlen in der Gedenkstätte Langer Gang nur geringfügig weniger
geworden. Die Gedenkveranstaltungen jeweils am 27. Januar, 13. April und 9.
November konnten alle stattfinden und waren sehr gut besucht. In der
Schwarzenbacher St. Gumbertuskirche begeisterte der Chor "link to heaven"
aus Regnitzlosau im Januar 2022 alle Anwesenden. Dieser Gottesdienst, die
Lesung "Eine Mutter kämpft gegen Hitler" in Helmbrechts und die
Neugestaltung der Kinopassage in Schwarzenbach in Kooperation mit der
Geschwister-Scholl-Mittelschule Schwarzenbach/Saale, dem Künstler Nils
Oskamp und dem Arbeitskreis "Attraktives Schwarzenbach" zeigen die große
Bandbreite der Aktivitäten des Vereins. Zum Konzert "Shalom" am Muttertag,
8. Mai 2022 mit Liedern jüdischer Komponisten kamen erfreulicherweise über
achtzig Gäste. Auch der Vortrag von Elfriede Schneider „Der Landrat aus dem
KZ“ im November 2022 fand viele interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer.Die
Sanierung der Gedenkstätte "Langer Gang" im Herbst 2022 konnte mit Hilfe
einiger Zuschüsse und Spenden abgeschlossen werden; unterstützt wurde der
Verein u. a. durch die Oberfrankenstiftung. Eine Spende der Stadt
Schwarzenbach ist zugesagt. Nicht unerwähnt blieb, dass nach der Pandemie
die Gedenkstätte "Langer Gang" wieder regelmäßig an jedem ersten
Sonntagnachmittag im Monat geöffnet wurde. Der Kassenbericht von Regina
Scholz ergab, dass weiterhin 50 Mitglieder dem Verein die Treue halten. Für
Sanierung, Energiekosten und Veranstaltungen waren im Jahr 2022 knapp 9.000
Euro ausgegeben worden; die Einnahmen aus Zuschüssen und Spenden betrugen
rund 11.000 Euro. Gabriela Möckel und Bertram Popp hatten die Kassenführung
geprüft und alles wohlgeordnet vorgefunden.
Auf Antrag von Gabriela Möckel war der Vorstand entlastet worden. Viele
Dankesworte wurden an jeden Einzelnen im Vorstand verteilt; und ein ums
andere Mal betont, dass alle Vorstandsmitglieder optimal zusammenarbeiten.
Großer Dank galt auch der Aktion "Demokratie leben" des
Bundesfamilienministeriums, auf dessen Unterstützung man zuverlässig zählen
könne.
Anschließend diskutierte man über bereits erfolgte Ereignisse im Jahr 2023.
Hier wurde besonders an den Vortrag von Lothar Krause vom Theater Hof über
das Theaterstück "Die weiße Rose" erinnert, und an das Referat von Ulrich
Fritz, der im April 2023 in Helmbrechts über den Todesmarsch der 1170 Frauen
gesprochen hat. Ulrich Fritz ist Leiter der Geschäftsstelle des Beauftragten
der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen
Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe. Seine
Forschungsarbeiten haben immer auch Oberfranken im Blick!
Schließlich ging es um die Pläne für den Herbst 2023 und das kommende Jahr
2024. Innerhalb der nächsten Wochen wird auf dem Schwarzenbacher Friedhof
eine Informationstafel an der Gräberreihe der Opfer aufgestellt. Mitglieder
des Vereins halten guten Kontakt zu den Arolsen Archives, zur "Allianz gegen
Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg" und zum Netzwerk
"Wunsiedel ist bunt". Unter dem Titel "Vergessene Orte" arbeitet der
Verein seit einiger Zeit daran, Häuser und Plätze in Schwarzenbach ausfindig
zu machen, die mit der Nazi-Zeit in Verbindung stehen. Weil sich dazu immer
wieder neue Aspekte und Hinweise ergeben, ist es in den vergangenen Jahren
noch nicht gelungen, hier einen Abschluss zu finden. Ziel wäre es, einen
Stadtrundgang dazu zu erarbeiten. An dieser Stelle bittet der Verein die
Bevölkerung, alte Bilder oder überlieferte Hinweise weiterzugeben. Gerne
können die Mitglieder des Vereins bei den Öffnungszeiten der Gedenkstätte
"Langer Gang" an jedem ersten Sonntag im Monat von 14 - 16 Uhr angesprochen
werden. Geplant ist am 13. April 2024 eine Aufführung der Gruppe "Theater
in der Kirche" zur letzten Nacht von Dietrich Bonhoeffer im KZ Flossenbürg.
Er ist dort am 9. April 1945 umgebracht worden. Gezeigt werden soll das
Theaterstück in der Johanniskirche in Helmbrechts. Im Helmbrechtser
Textilmuseum soll eine große Ausstellung gezeigt werden, die zusammen mit
polnischen Studenten erarbeitet wird und viel vorbereitende Überlegungen
erfordert. Im November 2024 jährt sich die Eröffnung der Gedenkstätte
"Langer Gang" zum zwanzigsten Mal. Der Vorstand wird noch darüber beraten,
in welcher Form der Verein diesen Jahrestag begehen wird.
Das Bild
zeigt Mitglieder und den Vorstand des Vereins gegen das Vergessen e. V.
vlnr: Hartmut Hendrich aus Hof, Gabriela Möckel aus Martinlamitz, Kuno
Zöller aus Töpen, Regina Scholz aus Oberkotzau, Francesca Hilgner aus
Münchberg, Nanne Wienands, Birgit Schreier und Günter Niepel aus
Schwarzenbach/Saale.
Bürgermeister Stefan Pöhlmann bei
seiner Ansprache am Mahnmal. Foto: /Bußler
KZ-TodesmarschDie
Mahnung der getöteten Frauen
Werner Bußler 14.04.2023 - 13:18 Uhr
Helmbrechts gedenkt zum Jahrestag des Todesmarschs nach Volary. Der aktuelle
Bezug liegt auf der Hand.
Am 13. April 1945 schickten Schergen des NS-Regimes 1173 Insassen des in
Helmbrechts betriebenen Außenlager des KZ Flossenbürg auf einen Marsch, der
sie, sofern sie überlebten, nach Volary führen sollte. Mit dieser Maßnahme
wollten sie gegenüber den nahenden amerikanischen Truppen Beweise für die in
den Lagern verübten Verbrechen vertuschen. Ein Großteil der im KZ Gefangenen
waren Frauen jüdischen Glaubens, welche die Aufseher besonders brutal
behandelten. Viele von ihnen waren von den Anstrengungen des langen Laufens
bald erschöpft, hatten keine Kraft mehr und wurden unterwegs kurzerhand
hingerichtet.
Um dieses grausige Kapitel der Geschichte nicht zu vergessen und als ständig
wiederkehrende Mahnung vor Hass, Gewalt, Rassismus und Terror in jedweder
Form findet jeweils zum Jahrestag ein Gedenken statt, organisiert von den
drei Gruppen Verein gegen das Vergessen, Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes – Bund der Antifaschisten, Initiative gegen Rechtsextremismus
und Ausländerfeindlichkeit in enger Kooperation mit der Stadt Helmbrechts
und der evangelischen Kirchengemeinde Helmbrechts.
Gerade in der jetzigen Zeit stehen Fragen im Raum, nämlich: Schweigen wir
wieder, wenn Menschen verunglimpft oder angegriffen werden? Tun wir genug
gegen Nationalismus, Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus? Ist es
genug, an Gedenktagen an die Gräueltaten des Nationalsozialismus zu
erinnern? Wie sieht unser Einsatz für Demokratie und Menschenwürde aus?
Darauf sollte es eine eindeutige Antwort geben, doch man muss sich auch
überlegen, wie man selbst gehandelt hätte, wäre man Bürger im Naziregime
gewesen. Dies war ein Aspekt, den ein Experte ansprach, der in dieses Jahr
für die Gedenkrede in der Helmbrechtser Friedhofskapelle gewonnen werden
konnte. Ulrich Fritz fungiert als Leiter der Geschäftsstelle des
Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen
Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe. In seinem
Vortrag ging er auf die Entwicklung der KZ[1]Außenlager
ein und auch auf die Situation in Helmbrechts. Hier waren die Insassinnen
übrigens nicht ständig im Lager, sondern mussten auch Zwangsarbeit in einer
Fabrik leisten, die Kabel und Munition herstellte.
Die juristische Aufarbeitung des
Geschehens begann erst spät mit der Anklage gegen Lagerleiter Alois Dörr,
der bis 1969 unbehelligt in Baden-Württemberg lebte. Das Magazin Stern
bezeichnete ihn in einem Artikel als „der gute Mensch von Höpfingen“.
In Helmbrechts befassten sich
Heimatforscher mit diesem dunklen Zeitabschnitt. Leuten wie Walter
Schlosser, Dr. Ekkehard Hübschmann, Klaus Rauh und Elfriede Schneider ist es
zu verdanken, dass dank Forschungen und Recherchen dieser Teil der
Stadthistorie nicht verschwiegen oder verdrängt wird, sondern ein offensiver
Umgang damit erfolgt. Die Helmbrechtser haben als Zeichen der Reue für die
in ihrer Stadt verübten Verbrechen den Überlebenden des Lagers die Hand zur
Versöhnung gereicht und die Opfer haben diese Geste angenommen. Für Pfarrer
Andreas Schmidt, der zur Gedenkstunde begrüßte, sollte es sich von selbst
verstehen, dass den Nachgeborenen die Ereignisse als Mahnung dienen und sie
nicht vergessen dürfen. Dies griff auch Ulrich Fritz auf, der betonte: „Das
Befassen mit der Geschichte ist kein Selbstzweck, sondern dringend
notwendig.“ Pfarrer Andreas Schmidt war es, der Namen der getöteten
jüdischen Frauen vorlas und damit stellvertretend allen Opfern ihre Würde
zurückgab.
Anschließend erfolgte eine
Kranzniederlegung am Mahnmal am Friedhofseingang. Dabei sagte Bürgermeister
Stefan Pöhlmann, die Realität zeige, dass man um die Errungenschaften
kämpfen und das Schild der Demokratie hochhalten müsse. Er ging in diesen
Zusammenhang auch auf die bald ankommenden Geflüchteten ein, die in
Helmbrechts ein Quartier erhalten. Er sei davon überzeugt, dass die
Bevölkerung diesen Menschen helfen wird, den Alltag leichter zu machen.
Bürgerinnen und Bürger, die skeptisch den Neuankömmlingen gegenüber stehen,
sollten sich in die Lage von Leuten versetzen, die wegen Gefahren für Leib
und Leben ihre Heimat verlassen haben.
Hartmut Hendrich vom Verein gegen das Vergessen betonte in seiner kurzen
Ansprache, man sei der historischen Verantwortung für Menschheitsverbrechen
bewusst und sei verpflichtet sich jederzeit für Frieden sowie gegen
Rassismus und gegen Antisemitismus einzusetzen
05.03.2023
Spendenübergabe
Pressebericht fürs
Amtsblatt
Gedenkgottesdienst für die Opfer des Nationalsozialismus
Es war für viele Gottesdienstbesucherinnen und
-besucher eine Überraschung: eine Liebesgeschichte stand im Mittelpunkt des
alljährlich stattfindenden ökumenischen Gedenkgottesdienstes für die Opfer
des Nationalsozialismus. Zumindest hätte es zu normalen Zeiten eine
Liebesgeschichte sein können. Die Oper "Helena Citronova", die in den
vergangenen Wochen in der Reihe "Wider das Vergessen" am Theater Hof gezeigt
wurde, hatte die Geschichte aufgegriffen, die sich tatsächlich zugetragen
hat. Franz Wunsch,
der sich im Alter von 17 Jahren freiwillig zur SS gemeldet hatte, war nach
Fronteinsatz und Verletzung Aufseher im Konzentrationslager Auschwitz. Er
verliebt sich in eine zwanzigjährige slowakische Jüdin, die in seinem
Kommando arbeitet: Helena Citronova. Der Regisseur der Oper und zukünftige
Intendant des Hofer Theaters, Lothar Krause, brachte den zahlreichen
Zuhörerinnen und Zuhörern die Geschichte nahe. Einfühlsam und in die Tiefe
gehend berichtete er von dem Geschehen:
Bereits 1942 war Helena
Citronova mit dem "Transport der 999 Frauen", dem ersten Frauentransport
nach Auschwitz gekommen. Eine Freundin sorgte dafür, dass sie statt
körperliche Schwerstarbeit verrichten zu müssen, im Sonderkommando "Kanada"
arbeiten konnte; dort wurden die Habseligkeiten der für Zwangsarbeit oder
Gaskammer bestimmten Neuankömmlinge sortiert und verwertet.
An seinem 21. Geburtstag - es ist Citronovas erster Arbeitstag im
Sonderkommando "Kanada" - lässt Unterscharführer Wunsch die junge
Häftlingsfrau ein Lied als Geburtstagsständchen für sich selbst vortragen.
Bisher war er durch Grausamkeit und Menschenverachtung aufgefallen, er war
für brutale Misshandlungen und die Mitwirkung bei den Selektionen an der
Rampe bekannt. Offenbar aber weckte der Gesang Seiten in ihm, die dazu
führten, dass er Helena half, in seinem Kommando zu bleiben. Dort musste sie
leichtere Arbeiten verrichten, als so manch andere Mitgefangene. Als ihre
Schwester Rozinka mit ihren beiden Kindern auf dem Weg in die Gaskammer ist,
bittet sie Wunsch darum, diese ihr so nahe stehenden Menschen zu retten;
obwohl sie sein Werben strikt ablehnt. Wunsch kann die Schwester vor der
Gaskammer bewahren; die Kinder werden ermordet. Wegen seiner wahrnehmbaren
Zuneigung zu Helena bekommt Wunsch große Probleme mit seinen Vorgesetzten.
Insgeheim hatte er erkannt, wie sehr seine frühere Menschenfeindlichkeit von
außen gesteuert wurde. Helena aber kann zu einem Mörder keine Beziehung
haben, auch wenn sie durchaus Gefühle entwickelt hat für Franz Wunsch.
Als das Lager Auschwitz am 27. Januar 1945 von der Roten Armee befreit wird,
trennen sich die Wege der beiden jungen Menschen. Helena wird im Januar 1945
wie 56.000 andere Menschen aus dem Lager Auschwitz auf einen Todesmarsch
geschickt. Den Zettel mit der Adresse von Wunsch's Eltern wirft sie in den
Schnee. Sie überlebt diese schlimmen Zeiten und geht über ihre Heimat
Slowakei nach Israel und beginnt dort ein neues Leben. Franz Wunsch geht
nach Österreich zurück. Beide gründen eigene Familien.
Im Jahr 1972 steht Franz Wunsch in Wien vor Gericht. Helena Citronova tritt
als Zeugin auf. Sie berichtet die Wahrheit. Wunsch wird trotz erdrückender
Beweise freigesprochen - seine Taten sind verjährt. Die beiden sehen sich
danach nie wieder.
Der ökumenisch geprägte Gottesdienst im gut gefüllten Gemeindehaus wurde
musikalisch von Ursula Dollinger am Klavier begleitet. Pfarrerin Annett
Treuner und Pfarrer Dr. Dieter Jung hatten die Begrüßung und den Segen
am Ende des Gottesdienstes übernommen. Mitglieder der beiden
Kirchengemeinden, des Vereins gegen das Vergessen e. V. und Schüler der
Geschwister-Scholl-Mittelschule lasen die immer wieder ergreifenden Texte.
Im Anschluss an den Gottesdienst war die Gedenkstätte "Langer Gang"
geöffnet. Großes Interesse dafür zeigte Lothar Krause, der von einigen
Kolleginnen und Kollegen aus dem Theater Hof begleitet wurde. Noch lange
wurde erzählt und diskutiert. Die Gedenkstätte wird am kommenden Sonntag, 5.
Februar 2023 von 14 Uhr bis 16 Uhr wieder geöffnet sein.
Das Bild
zeigt die Begleitbroschüre zur Oper "Helena Citronova".
Viele
Grüße und vielen Dank für alle Unterstützung, nanne wienands
Der Landrat aus dem KZ
- Vortrag von Elfriede Schneider
Das Bild zeigt Elfriede Schneider bei ihrem Vortrag.
Der Landrat aus dem KZ - Anselm Joel
Elfriede Schneider hat als
Redakteurin der Frankenpost in den vergangenen Jahrzehnten viele gut
recherchierte Berichte geschrieben. Ab und zu tut sie es heute noch. In
ihren Berichten war stets neben viel Hintergrundinformation auch Herzblut zu
enthalten: wenn sie sich in ein Thema vertieft, dann ist sie ganz und gar
dabei. Jetzt - im
Ruhestand - hat sie Zeit und Muse, sich Themen zu widmen, die ihr bei der
alltäglichen Berufsarbeit am Rande begegnet sind. So zum Beispiel die
geschichtlich nicht unbedeutende Episode, als nach dem Zweiten Weltkrieg, im
Jahr 1945, die amerikanischen Militärbehörden, einen ehemaligen Häftling der
nazideutschen Konzentrationslager als Landrat einsetzten. Wie sie berichtet,
war viel Forschungsarbeit in Archiven erforderlich, etliche Gespräche mit
Zeitzeugen wurden geführt, Bücher gelesen, um nun Ergebnisse darstellen zu
können.
Der Verein gegen das Vergessen e. V. hatte Frau
Schneider zum Vortrag eingeladen; und sie berichtete eine Stunde lang aus
dem Leben dieses Mannes, der Hofs erster Landrat nach dem Krieg wurde. Sein
Vorname ist zutiefst christlich geprägt, der Nachname jüdisch: Anselm Joel.
Er wurde geboren am 2. Januar 1898 in Frankfurt am Main, der Vater war Jude,
deshalb durfte er in Preußen nicht im Staatsdienst arbeiten, sonder war als
wissenschaftlicher Privatlehrer tätig. Die Mutter gehörte der reformierten
Kirche an. Anselm hatte zwei jüngere Brüder; Zwillinge. Vater und Mutter
sterben früh; die Kinder haben keine einfache Kindheit. Anselm wollte
Schriftsteller werden, aber auf Wunsch des Vaters schlägt er eine
Offizierslaufbahn ein. Im Jahr 1916 wird er nach einer Ausbildung zum
Militär eingezogen. Wegen der Anstiftung eines militärischen Aufruhrs wird
er inhaftiert und zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Aufgrund einer
Amnestie kommt er gegen Ende des Ersten Weltkriegs frei und findet
überraschenderweise ein Anstellung als Pressedezernent im Berliner
Polizei-Präsidium, dann bei verschiedenen Zeitungen als politscher
Redakteur. Er heiratet; die Eheleute bekommen einen Sohn "Max". Max wächst
bei den Großeltern auf; die Armut der Eheleute Joel erlaubt nicht einmal
eine eigene Wohnung. Ein Nachbar erinnert sich, Joel sei ein Idealist
gewesen, der ohne Rücksicht auf sich und seine Familie für Freiheit und
Gerechtigkeit gekämpft habe. In entsprechenden Organisationen engagierte er
sich.
Im März
1933 gehörte er zu den ersten, die von von den Nazis in Berlin festgenommen
und in Lager gebracht wurden. Zwölf Jahre musste er in Konzentrationslagern
verbringen; in Sonnenburg bei Küstrin, in Esterwegen und in Sachsenhausen.
Seine grauenvollen Erlebnisse prägen ihn. Als das letzte Lager, das KZ
Prettin aufgelöst wird, erreicht ein Transport mit Häftlingen den Bahnhof
Hof/Moschendorf. Anselm Joel ist einer von ihnen. Sein Überleben verdankt er
unter anderem Anneliese Nusch, der Frau des Pfarrers der Moschendorfer
Kirche. Er flüchtet und versteckt sich; am 15. April 1945 kommen die
Amerikaner nach Hof. Zwei Wochen später war er Landrat. Das damalige
Landratsamt befand sich in Hof in der Theresienstraße 29; heute sind dort
moderne Wohnungen eingebaut. Die Arbeit in der chaotischen Nachkriegszeit
bestand für ihn in der Verbesserung der Lebensverhältnisse der Bewohnerinnen
und Bewohner des Landkreises, der Unterbringung und Verpflegung von
tausenden Flüchtlingen und der Strukturierung der erforderlichen
Amtsgeschäfte. Was wir uns alle nicht vorstellen können: das Trinkwasser war
knapp.
Bei der damaligen Regierung in München setzt er sich u. a.
für eine bessere Versorgung mit Lebensmitteln ein; aber er erlebt immer
wieder üble Nachrede, Missgunst und schwere Unterstellungen. Aus dieser Zeit
sind etliche originale Schreiben und Aufzeichnungen erhalten. Anselm war ein
überzeugter Kämpfer für demokratische Entscheidungswege. Am 27. Januar 1946,
ein Jahr nach der Befreiung von Auschwitz, finden Gemeindewahlen statt:
heute würde man sagen "Kommunalwahlen". Es sind schlichtweg Intrigen und
unterschiedliche Informationen, die dazu führen, dass Joel Mitte Juni 1946
die Saalestadt verlässt. Wegen fehlender Unterlagen bekommt Joel weder eine
Wiedergutmachung für die erlittene Haft, noch wird ihm eine Rente bezahlt.
Auch eine angemessene berufliche Laufbahn ist ihm nicht mehr vergönnt; er
starb alkoholkrank und völlig mittellos im Juni 1961 in Berlin. Hinterlassen
hat er ein beeindruckendes Manifest der Demokratie; es ist ein weitsichtig
geprägtes Schreiben, das aktuell auch in unsere Zeit passt. Elfriede
Schneider liest daraus vor.
Viele
Einzelheiten müssen hier unerwähnt bleiben.Da einige fachkundige Besucherinnen und Besucher
dem Vortrag gelauscht hatten, kam es im Anschluss zu vertiefenden
Diskussionen. Anschließend besuchten eine Reihe von Gästen die Gedenkstätte
"Langer Gang".
Pressebericht Jahreshauptversammlung "Verein gegen das Vergessen e. V."
Hoch erfreut war die Vorstandschaft des "Vereins gegen das Vergessen e. V."
über den guten Besuch der diesjährigen Jahreshauptversammlung. Erster
Vorstand Hartmut Hendrich aus Hof betonte in seinem Rechenschaftsbericht für
das Jahr 2021, dass man trotz der Einschränkungen durch die Pandemie
zahlreiche Veranstaltungen durchführen konnte. Obwohl die Gedenkstätte
"Langer Gang" in Schwarzenbach/Saale mehrmals geschlossen bleiben musste,
kamen über das Jahr verteilt etwa 80 Besucherinnen und Besucher an den
Öffnungstagen. Einige Gruppen hatten sich angemeldet, die zusätzlich den
Film über das Konzentrationslager in Helmbrechts und das Kriegsende 1945
sehen konnten. "Höhepunkt der Veranstaltungen im Jahr 2021 war das Konzert
"Friedenslieder" zum zwanzigjährigen Bestehen des Vereins am 4. Juli 2021 in
der Kleinkunstbühne "Hinterhalt" in Schwarzenbach/Saale," berichtete
Hendrich. Er erinnerte auch an den 100. Geburtstag von Sophie Scholl, zu dem
der Verein der Geschwister-Scholl-Mittelschule in Schwarzenbach/Saale ein
großes Portrait von Sophie Scholl überreichte, das der Grafiker und Zeichner
Nils Oskamp entworfen hatte. Zur Friedensdekade konnte die zweite
Vorsitzende des Vereins, Nanne Wienands, in der St. Gumbertuskirche aus dem
wechselhaften Leben von Helena Bohle-Szacki berichten. Als Zwangsarbeiterin
kam sie als junges Mädchen in das Lager in Helmbrechts. Durch glückliche
Fügungen überlebte sie den Todesmarsch und kehrte auf langen Wegen und zu
Fuß in ihr Elternhaus nach Polen zurück. Sie wurde eine anerkannte
Textilkünstlerin und lehrte später an der Lette-Schule in Berlin. Geplant
ist nun für das Jahr 2023 eine Ausstellung mit ihren Werken im Textilmuseum
in Helmbrechts. Dazu hat bereits Ende August 2021 ein Treffen mit
studentischen Vertretern des polnischen Textilmuseums in Lodz stattgefunden.
Die Lesungen in Wunsiedel und Helmbrechts mit Patricia Litten "Eine Mutter
kämpft gegen Hitler", deren Organisation der "Verein gegen das Vergessen e.
V." übernommen hatte, waren jeweils gut besucht. Interessant war im Jahr
2021 die Übernahme von Akten aus dem Nachlass eines Rechtsanwaltes, der
einem der Aufseher des Konzentrationslagers Helmbrechts als
Pflichtverteidiger zur Seite stehen musste. Die in den Unterlagen
enthaltenen neuen Erkenntnisse sollen in einer Neuauflage des Buches "Das
Frauenkonzentrationslager Helmbrechts und der Todesmarsch nach Volary"
berücksichtigt werden.
Hendrich bedankte sich herzlich bei der
gesamten Vorstandschaft und allen Beteiligten. Besonderer Dank ging an die
Verantwortlichen des Bundesprogramms "Demokratie leben in der Mitte
Europas". "Ohne diese Unterstützung wären viele Aktivitäten nicht möglich
gewesen," erklärte Hendrich, "auch das sehr gut besuchte Konzert "Shalom" am
Nachmittag des 8. Mai 2022 wurde von "Demokratie leben!" gefördert."
Hendrich betonte auch die gute Zusammenarbeit mit dem Oberkotzauer Bündnis
für Demokratie, dem Hofer Bündnis für Zivilcourage, dem "Netzwerk Wunsiedel
ist bunt" und der "Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion
Nürnberg".
Für die nächste Zeit plant der Vorstand Sanierungsarbeiten
in der Gedenkstätte; an den Stufen soll ein Handlauf angebracht werden. Dazu
ist die Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz erforderlich. Eine
Vortragsveranstaltung im Herbst 2022 ist genauso in Vorbereitung wie die
immer wiederkehrenden Gedenkveranstaltungen am 9. November, 27. Januar und
13. April. Mit einem neu gestalteten Flyer und weiteren Angeboten wird man
versuchen, das Interesse von jungen Menschen an der Erinnerungsarbeit zu
wecken.
Kassiererin Regina Scholz stellte den Kassenbericht des
Vereins vor; die Kassenprüfer Gabriela Möckel und Bertram Popp bestätigten
die ordnungsgemäße Führung der Kasse. Auf Antrag wurde der Vorstand
einstimmig entlastet; Neuwahlen stehen im Jahr 2023 an. Der "Verein gegen
das Vergessen e. V." geht zuversichtlich in die nächsten Jahre.
Das Bild zeigt das im Jahr 2018 veröffentlichte und mehrfach neu aufgelegte
Buch des Vereins.
Pressebericht
Bücher für die "Arolsen Archives"
Die "Arolsen Archives", die
"Arolsener Archive" gehen zurück auf ein bedeutsames Anliegen der Allierten
nach dem Zweiten Weltkrieg: sie wollten den Millionen Opfern, den vermissten
und getöteten Kindern, Frauen und Männern nicht nur ein Andenken geben,
sondern für Aufklärung sorgen, für einen würdevollen Umgang mit dem Leid,
den der Krieg erzeugt hatte. "International Tracing Service" nannte sich
anfangs diese Einrichtung im heutigen Bad Arolsen bei Kassel. Dreißig
Millionen Karteikarten, Belege und Listen zu Opfern des Holocaust werden
hier seit Jahrzehnten aufbewahrt und erforscht. "Ein Denkmal aus Papier"
heißt denn auch die ständige Ausstellung, die zu dieser wichtigen
Institution gehört und momentan in leerstehenden Geschäftsräumen
untergebracht ist.
Dorthin brachten Gabriela Möckel und Nanne Wienands kürzlich
etliche hundert Bücher in fast zwanzig Kartons verpackt; Bücher über
die Zeit des Nationalsozialismus mit dem Schwerpunkt der Erinnerungs- und
Opferkultur. Es handelte sich insbesondere um Dokumentationen, Bildbände,
Erlebnisberichte, Biografien und Autobiografien, Romane, Kataloge und
Broschüren aus zwei Nachlässen. Die Schenkung wurde bereits vor Monaten mit
dem Leiter der Bibliothek der Arolsen Archives, Jens Paul, abgesprochen. Er
erwartete die Gäste und sprach von der umfangreichsten Bücherspende seit
Bestehen des Archivs. Er zeigte den Gästen aus Schwarzenbach an der Saale
einige Arbeitsplätze des Archivs und vor allem die Dauerausstellung "Ein
Denkmal aus Papier". Gabriela Möckel und Nanne Wienands bekamen einen
umfassenden Eindruck in die immer noch aktuelle Arbeit des Archivs.
Die Arolsen Archives waren das erste digitalisierte Archiv in
Deutschland. Die Anfragen nachforschender Betroffener, beteiligter
Institutionen und interessierter Nachkommen nahmen in den vergangenen Jahren
wieder stetig zu. Einzelschicksale der Ausstellung zeigen die persönliche
Bedeutung der Arbeit. So fanden sich Familienangehörige wieder, Freunde
trafen sich nach jahrelanger Suche. In den letzten Jahren ist es gelungen,
sogenannte "Effekten" - letzte Erinnerungsstücke, die man u. a. in
Konzentrationslagern und Gefängnissen den Gefangenen und Zwangsarbeitern
abgenommen hatte, den Nachkommen der Betroffenen zurückzugeben. "Das ist in
aller Regel ein sehr emotionaler Moment," meinte Jens Paul. Er erläuterte,
dass auch aktuell jedermann online nach vermissten Angehörigen suchen kann.
"Ob vermisste Geschwister, desertierte Soldaten, Opfer des Holocaust oder
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter - es gibt immer wieder neue
Erkenntnisse. Namen werden unterschiedlich geschrieben oder nach Aussprache
weitergegeben; wir tun wirklich alles, was wir können, um Menschen
weiterzuhelfen," betonte er.
Momentan sei eine große Aktion in Gang,
bei der Bilder der Deportation von jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern
gesucht werden. "Und unsere Onlinevorträge und -zeitzeugengespräche sind ein
großer Erfolg, das Interesse ist groß," berichtete er. Über alle Aktivitäten
der Arolsen Archives kann man sich mit Hilfe der website informieren:
In Zukunft wird der "Verein gegen das Vergessen e.
V." enger mit dem Archiv zusammenarbeiten und auch die bekannten Namen der
Frauen, die auf den Todesmarsch vom Konzentrationslager Helmbrechts ins
tschechische Volary getrieben wurden, in das Archiv aufnehmen lassen.
Gedenkstätte Langer Gang (schwarzenbach-saale.de)
Unterstützt wurde die Überbringung der Bücher von der Aktion "Demokratie
leben!" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Die Bilder zeigen:
- Jens Paul und Gabriela Möckel vor einer Wand von Karteikästen mit Belegen.
- Beschreibung der
Geschichte des Arolsen Archives in der Ausstellung "Ein Denkmal aus Papier"
nanne wienands
Pressebericht "Shalom!" Konzert in Schwarzenbach/Saale
Auf den Zusammenhang
zwischen dem Muttertag und dem historischen Hintergrund dieses Datums "8.
Mai 2022" ging Hartmut Hendrich, der erste Vorsitzende des Vereins gegen das
Vergessen e. V. kurz in Schwarzenbach an der Saale zu Beginn des Konzertes
"Shalom!" ein. "Der 8. Mai ist als
Tag der Befreiung in verschiedenen europäischen Ländern ein Gedenktag, an
dem als Jahrestag zum 8. Mai 1945 der bedingungslosen Kapitulation der
Wehrmacht und damit des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa und der
Befreiung vom Nationalsozialismus gedacht wird," betonte Hendrich. Nach
diesen ernsten Worten hatte die Musik Zeit und Raum, sie zeigte ihre
verbindende und friedvolle Wirkung. Kapellmeister Michael Falk begleitete
Julia Leinweber und Thilo Andersson am Klavier bei einem Potpourri bekannter
und weniger bekannter Melodien. "Bej mir bist du schejn", damit nahmen der
Sänger und die Sängerin die vielen Zuhörer im voll besetzten Saal des
Gemeindehauses sofort in den Bann. Viele wippten mit den Füßen und wären
wohl gerne zum Tanz aufgesprungen - aber man soll ja immer noch Abstand
halten!
Thilo Andersson
erklärte die Verbindung der Liedauswahl zur jüdischen Kultur und zu
jüdischen Künstler vor; dann ging es schon weiter mit "Dafür bin ich immer
gut!" - hier war die Interpretin Julia Leinweber auch in ihrem
schauspielerischen Element. So manche Frau unter den Anwesenden mag sich
gedacht haben - ja, das Gefühl kenne ich nur zu gut. Dann wechselten sich
die beiden Künstler ab, sangen solo oder miteinander, sie ergänzten sich
beide und mit dem Pianisten ganz wunderbar. Traditionals und
Oberettenmelodien wechselten gelungen, und den Zuhörerinnen und Zuhörern
gefiel es sehr!
Regina Scholz vom
Vereins gegen das Vergessen e. V, deren Idee dieser Nachmittag gewesen war,
bedankte sich bei den Künstlern, beim Vertreter von "Demokratie leben!"
Stefan Denzler für die Unterstützung, und bei allen Gästen für ihre
Teilnahme an dem Nachmittag. Viele von ihnen nutzten die Gelegenheit, sich
die nach dem Konzert geöffnete Gedenkstätte "Langer Gang" anzusehen.
Nanne Wienands überreichte Blumen an Hartmut Hendrich: er hat Ende März
2022 in Nürnberg das Ehrenzeichens des Bayerischen Ministerpräsidenten für
Verdienste von im Ehrenamt tätigen Frauen und Männern erhalten. Hartmut
Hendrich ist seit über zwanzig Jahren Vorsitzender des Vereins gegen das
Vergessen e. V.
Alle Bilder wurden von
Francesca Hilgner zur Verfügung gestellt.
Die Bilder zeigen: vlnr
Regina Scholz, Michael Falk, Julia Leinweber und Thilo Andersson;
ein Blick in die Gedenkstätte
"Langer Gang".
Hartmut Hendrich,
Gedenken am Mahnmal
Pressebericht
"Eine Mutter kämpft gegen Hitler"
Im Helmbrechtser Jubiläumsjahr "600 Jahre
Stadterhebung Helmbrechts - gestern-heute-morgen" steuerte der Verein gegen
das Vergessen e. V., unterstützt von dem Bundesprogramm "Demokratie leben!",
einen ganz besonderen Abend bei, der natürlich am 13. April stattfinden
musste. Denn -an diesem Tag im Jahre 1945 verließen 1170 Frauen und
Mädchen das Frauenkonzentrationslager Helmbrechts; die erste Übernachtung
musste unter freiem Himmel in Schwarzenbach/Saale stattfinden. Viele der
Frauen überlebten den Todesmarsch, der später Richtung Süden ging, nicht.
Das unsägliche Leid der Frauen, die Qualen, die sie ausstehen mussten und
die Willkür der Mächtigen wurden an dem Abend in der Helmbrechtser
Johanniskirche deutlich - allerdings auf der Grundlage eines Buches, das
eine Mutter über das dramatische Leben und Sterben ihres Sohnes geschrieben
hat. Irmgard Litten versuchte in den 1930er Jahren ihren Sohn aus der
sogenannten "Schutzhaft" zu befreien. Der junge Rechtsanwalt Hans Litten,
ältester von drei Brüdern, war im Jahr 1931 Rechtsanwalt der betroffenen
Nebenkläger im sogenannten "Edenpalast-Prozess". Als solcher berief er
gemeinsam mit dem Gericht Adolf Hitler in den Zeugenstand. Durch Litten's
Fragen war Hitler blamiert und in die Enge getrieben; diese Niederlage
verzieh er ihm nie. In der Nacht des Reichstagsbrandes am 28. Februar 1933
wurde Litten verhaftet; sein Leben bestimmten von nun an die Meister von
Folter und Vernichtung.
Aus dem Buch von Irmgard Litten "Eine
Mutter kämpft gegen Hitler" las in der Helmbrechtser Johanniskirche Patricia
Litten, die Enkelin von Irmgard Litten und Nichte von Hans Litten. Man
spürte förmlich die Authentizität, die Spannung, die durch die Versuche der
Mutter hervorgerufen wurde, den Sohn zu besuchen. Die Mutter, ihn befreien
wollte und die immer wieder Wege suchte, sich mit ihm auch während der Haft
durch Briefe und Verständigungscodes auszutauschen. Dazu muss man wissen,
dass die Familie Litten eine angesehene Gelehrtenfamilie war, bei der zu
passenden gesellschaftlichen Anlässen wichtige und entscheidungsbefugte
Menschen des öffentlichen Lebens ein- und ausgingen. Vater Litten war
ebenfalls ein hoch anerkannter Jurist und Universitätsrektor in Königsberg.
Man kannte viele einflussreiche Persönlichkeiten.
Hans Litten verbrachte die ersten
Hafttage im Spandauer Gefängnis. Von der ersten Minute an waren die Verhöre
von Gewalt geprägt. Später wurde er in das Konzentrationslager Sonnenburg,
dann in das Zuchthaus Brandenburg und im Jahr 1934 in das
Konzentrationslager im Moor, Esterwegen im Emsland verlegt. Drei Jahre
später kam Litten in das KZ Buchenwald bei Weimar, kurze Zeit danach in das
KZ Dachau. Egal wohin man ihn brachte, die Foltermethoden waren grausam und
unmenschlich. Keine seiner Verletzungen wurde medizinisch behandelt, die
wochenlange Dunkelhaft schloss sich den zerstörerischen Prügeln an. Seine
Mutter folgte ihm stets und versuchte immer wieder ihn zu besuchen. Was muss
geschehen ssein, wenn sich die Kopfform eines Menschen verändert?
Ununterbrochen suchte die Mutter Kontakt zu einflussreichen Bekannten und
bat um Hilfe und Unterstützung ihrer Bitte um Freilassung des Sohnes.
Patricia Litten las eine Reihe von Passagen aus dem von Absagen und
Vertröstungen geprägten und eindringlichen Bericht von Irmgard Litten. Immer
wieder wurde die Lesung sehr einfühlsam von der Cellistin Birgit Saemann
ergänzt und untermalt. Die Schwere der Musik, die Schwere des Themas legte
sich bleiern auf die Zuhörer. Unerträglich spürbar war die Last, die Mütter
tragen. Am 5. Februar 1938 wurde Hans Litten im KZ Dachau erhängt
aufgefunden. Beide Annahmen haben ihre Berechtigung: der Mord und der
Selbstmord. Seine Mithäftlinge bestätigten jedoch, dass Litten durch
vorangegangene wiederholte Folter in den Suizid getrieben wurde.
Hundertausende Menschen waren damals vom schweren Schicksal
jahrelanger Gefangenschaft und ständigen, gewaltsamen Übergriffen betroffen,
einige Tausend auch in Helmbrechts.
Gedenken an den Todesmarsch
Zu einer Gedenkfeier trafen sich am 77. Jahrestag
des Todesmarsches Helmbrechts-Volary Vertreter der Stadt, der evangelischen
Kirchengemeinde, der Initiativen „Gegen das Vergessen“, „Gegen
Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit“ sowie des Vereins der
Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten an dem Mahnmal im
Helmbrechtser Friedhof. Ein solcher Gedenkstein steht auch in Volary. Am 13.
April 1945 schickten Schergen des NS-Regimes 1173 Insassen des in
Helmbrechts betriebenen Außenlagers des Konzentrationslagers Flossenbürg auf
einen Marsch, der sie, sofern sie überlebten, nach Volary führen sollte.
Damit sollten gegenüber den nahenden amerikanischen Truppen auch Beweise für
die in den Lagern verübten Verbrechen vertuscht werden. Ein Großteil der
Gefangenen waren Frauen jüdischen Glaubens, die von den Aufsehern besonders
brutal behandelt wurden. Viele von ihnen waren bald erschöpft, hatten keine
Kraft mehr und wurden unterwegs hingerichtet. Als Mahnung vor Hass, Gewalt,
Rassismus und Terror in jedweder Form findet jeweils zum Jahrestag ein
Gedenken statt, heuer in Form einer Lesung mit musikalischer Begleitung in
der Johanniskirche. Vorher trafen sich die Beteiligten am Mahnmal. Zweiter
Bürgermeister Robert Geigenmüller sagte in seiner Ansprache, es gebe Leute,
die sich gegen zunehmende menschenverachtende Aktionen und rechtsextreme
Tendenzen stellen und für Toleranz eintreten – „aber es sind immer noch zu
wenig“. Der Todesmarsch sei ein durch nichts zu rechtfertigendes Verbrechen.
Helmut Hendrich vom Verein gegen das Vergessen betonte, man gedenke diesmal
auch der Opfer des russischen Angriffs auf die Ukraine und gab das
Versprechen, dass engagierte Bürgerinnen und Bürger weiterhin zu Unrecht
nicht schweigen wollen. Foto/Text: W. Bußler
Pressebericht
Gedenkgottesdienst am 27.01.2022
in Schwarzenbach/Saale
Unser ehemaliger Bundespräsident Roman Herzog hat im Jahr 1996 den Gedenktag
für die Opfer des Nationalsozialismus ins Leben gerufen. Alljährlich am 27.
Januar, dem Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die
Rote Armee, erinnert in Schwarzenbach/Saale ein ökumenischer Gottesdienst an
diese Zeit - 77 Jahre ist das jetzt her.
"Wir beginnen mit Schweigen
........" nach diesem eindrucksvollen Beginn zum Glockenläuten begrüßte
Pfarrerin Annette Treuner die erfreulich vielen Gottesdienstbesucher.
Alle Lieder im Gottesdienst wurden vom Chor "link to heaven" gesungen und
begleitet. Unter der Leitung von Ursula Dollinger sangen sich die jungen
Frauen in die Herzen der Besucher. "Es tut so gut, die frischen Stimmen zu
hören," meinte eine Besucherin nach dem Gottesdienst.
Drei Schülerinnen und Schüler der Geschwister-Scholl-Mittelschule
Schwarzenbach/Saale berichteten von drei Überlebenden des
Konzentrationslagers Auschwitz. Eine der vorgestellten Frauen - Trude
Simonsohn - ist erst vor wenigen Tagen, am 6. Januar 2022 im Alter von 100
Jahren gestorben. Mit viel Glück hatte sie drei Jahre in den Lagern
Theresienstadt und Auschwitz überlebt. In Frankfurt wurde sie zur
Ehrenbürgerin ernannt, jahrzehntelang hatte sie als Zeitzeugin in Schulen
über ihre Erlebnisse berichtet.
Ein bekannter Name war Esther
Bejarano. Im Alter von 96 Jahren ist sie im Juli des Jahres 2021 verstorben.
Im Konzentrationslager Auschwitz musste sie im Mädchenorchester das
Akkordeon spielen - dass sie dafür eingeteilt wurde, rettete ihr das Leben.
Als sie im Jahr 1960 von Israel nach Deutschland zurückkehrte, erlebte sie
erneut Nazi's in der Bundesrepublik. "Man muss als Zeitzeuge auftreten und
berichten, anders geht es nicht," sagte sie oft. Mit der Rapper-Band
"Microphone Mafia" stand sie unzählige Male auf der Bühne - auch im März
2016 in Hof. Sie war Vorsitzende des Auschwitz-Komitees, Ehrenpräsidentin
des Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und Trägerin des
Bundesverdienstkreuzes.
Der letzte Beitrag berichtete von Noah
Klieger. Er war noch keine 20 Jahre alt, als er an der Rampe in Auschwitz
fast der Selektion zum Opfer gefallen wäre. Ein serbischer Wachmann stieß
ihn von dem Lastwagen, der direkt zu den Gaskammern fuhr, wieder herunter.
Klieger war ein guter Sportler. In Auschwitz musste er zur Unterhaltung der
Wachmannschaften an Boxkämpfen teilnehmen. Er gewann keinen einzigen Kampf,
aber die Sonderration für die Boxer - einen Topf Suppe täglich - ermöglichte
ihm das Überleben. Der Autor Takis Würger schrieb ein bemerkenswertes Buch
über das Leben von Noah Klieger.
Das Hoffnung gebende Lied "Freunde,
dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt, ist das nicht ein Fingerzeig,
dass die Liebe bleibt?" wurde von allen Anwesenden nach dem Segen von
Pfr. Dr. Dieter Jung gesungen.
Auf dem
Schwarzenbacher Friedhof wurde bereits am Nachmittag des 27. Januar am Kreuz
bei der Gräberreihe der Opfer des Naziregimes ein Blumengruß hinterlegt.
- VEREIN GEGEN DAS VERGESSEN - zum Gedenken für die Opfer der NS-Diktatur in der Region Hof
Das Bild zeigt vlnr: Hartmut Hendrich, Günter
Niepel, Eva Petermann, Regina Scholz, Nanne Wienands, Bürgermeister Stefan
Pöhlmann und Pfarrerin Ramona Kaiser.
fürs Amtsblatt Gedenken an das
Frauenkonzentrationslager in Helmbrechts
Alljährlich am 9. November treffen sich am
Helmbrechtser Friedhof der Bürgermeister von Helmbrechts, Stefan Pöhlmann,
Frau Pfarrerin Ramona Kaiser und Mitglieder des Vereins gegen das Vergessen
e. V., sowie der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der
Antifaschistinnen und Antifaschisten, um an das dortige Konzentrationslager
und an den Todesmarsch zu erinnern. "Einhundertunddrei Anschläge auf
jüdische Gedenkstätten gab es in den vergangenen Jahren," betonte Pfarrerin
Ramona Kaiser. Ihre Liste mit den Daten und Orten war schier endlos.
Bürgermeister Stefan Pöhlmann ging in seiner Ansprache auf die Veränderungen
ein, die sich in den vergangenen dreißig Jahren im Umgang mit Fakten
entwickelt haben. "Holocaustleugnung ist nur eines der Themen, das diese
Veränderung betrifft," meinte er. Er bedachte auch die Zwiespältigkeit
dieses Gedenktages für Deutschland - einerseits zerstörten an diesem Tag des
Jahres 1938 die Nazis jüdische Geschäfte und Synagogen, andererseits wird an
die Aufhebung der deutschen Teilung gedacht, die im Jahre 1989 auf
friedlichem Wege möglich wurde. Hartmut Hendrich erinnerte daran, dass in
der sogenannten Reichsprogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 mehr als
30.000 jüdische Mitbürger in Gefängnisse eingeliefert wurden. Viele Menschen
starben in dieser Nacht an den Misshandlungen oder nahmen sich das Leben.
Die Aktion gegen diese Menschen war der Beginn jahrelanger ganz konkreter
Gewalt gegen jüdische Familien, Geschäfte und Betriebe. "Es ist in der
heutigen Zeit sehr wichtig, immer wieder an das Unrecht und die Verbrechen
der Nationalsozialisten zu erinnern!" Eva Petermann ergänzte die
Aufzählung rechtsextremer Gewalt mit dem Hinweis auf die Verbrechen des NSU.
Die Gruppierung Nationalsozialistischer Untergrund sei vor exakt zehn Jahren
erkannt worden - durch Selbstmord und Brandstiftung. Jahrelang habe diese
Gruppe unerkannt morden können, und es seien noch längst nicht alle
Straftaten aufgeklärt. Viele Hintermänner seien noch immer tätig.
Regina Scholz aus Oberkotzau beendete die
Gedenkstunde mit einer Einladung. "Am kommenden Samstag dürfen in Wunsiedel
wieder Anhänger der Partei "III. Weg" marschieren. Alle Demokraten sollten
am Nachmittag bei der Gegenkundgebung auf dem Wunsiedler Marktplatz dabei
sein!"
Pressebericht Junge Menschen aus Griechenland in der Gedenkstätte Langer
Gang
Eine "Interkulturelle Woche" erlebten einige junge
Menschen aus Griechenland in unserer Region. Nach einem Rundgang durch
das ehemals geteilte Dorf Mödlareuth kamen sie mit dem Wunsiedler
Kreisjugendpfleger Uwe Götz nach Schwarzenbach/Saale zur Gedenkstätte
"Langer Gang". Rasch tauchten die ersten Fragen auf "was ist eigentlich ein
Todesmarsch?" und "warum musste soviel Unrecht am Ende des Krieges noch
geschehen?" Dass die Nazi-Diktatur nach dem Zweiten Weltkrieg der Grund
für die Teilung Deutschlands war, wie sie in Mödlareuth noch erkennbar ist,
war für Nanne Wienands die Verbindung zur Geschichte der Entstehung des
Frauenkonzentrationslagers in Helmbrechts. Das Lager in Helmbrechts bestand
nur relativ kurze Zeit, im Jahr 1944 gebaut, wurde es im April 1945
verlassen und auch rasch mit anderen Gebäuden überbaut.
Etwa 1170
Frauen und Mädchen, die in Helmbrechts in der Rüstungsindustrie arbeiten
mussten, wenn sie dazu nicht bereits zu schwach und krank waren, wurden am
13. April 1945 auf einen Marsch geschickt. Viele überlebten diesen Marsch
nicht, der erst drei Wochen später - wenige Tage vor der Kapitulation der
von Hitler eingesetzten Regierung - im heute tschechischen Volary endete.
Die erste Station des Helmbrechtser Todesmarsches war von Kommandant Alois
Dörr und den Bewacherinnen und Bewachern des Marsches in Schwarzenbach an
der Saale angeordnet worden. Sechs Frauen überlebten diese erste Nacht
nicht. Dass sich die Gräber heute noch auf dem Schwarzenbacher Friedhof
befinden, bezeichnete Wienands als eine der Besonderheiten des Marsches.
Bemerkenswert sei auch die Anzeige gegen den Kommandanten, der von zwei
Überlebenden auf einem Zeitungsfoto erkannt worden war. Es kam zur
Verhandlung bei Gericht in Hof, Dörr wurde im Jahre 1969 zu lebenslanger
Haft verurteilt. Nach acht Jahren wurde er begnadigt: die alten
Nazi-Seilschaften hatten geholfen. Auch die sogenannte "Robinson-Liste"
zähle zu den Besonderheiten: eine der überlebenden Frauen heiratete nach dem
Krieg einen amerikanischen Soldaten, Bernard Robinson. Er trug über Jahre
die Namen der Frauen zusammen, die den Todesmarsch erleben mussten. Die
Amerikaner waren es auch, die das Lager in Helmbrechts wenige Tage nach
seiner Auflösung entdeckten, und die verscharrten Überreste der dort
verstorbenen Frauen ordentlich bestatten ließen. Von diesen Vorgängen
berichtete der Film über Helmbrechts, den die Gruppe im Evangelischen
Gemeindehaus, das sich neben der Gedenkstätte befindet, ansehen konnte.
Am Ende des Besuches stand die Lebensgeschichte von Helena Bohle-Szacki. Als
16jähriges Mädchen war sie nach Helmbrechts verschleppt worden und musste
dort Zwangsarbeit leisten. Für die jungen Frauen und Männer aus Griechenland
war es kaum nachvollziehbar, wie sich ihre Lebensgeschichte trotz des damals
herrschenden Chaos und der Lebensumstände nach dem Krieg noch zum Guten
wenden konnte. Der Besuch der Gedenkstätte Flossenbürg stand den jungen
Menschen noch bevor; sie kommen gut informiert an diesem Ort.
Die Bilder zeigen: - die Gruppe mit dem Wunsiedler
Kreisjugendpfleger Uwe Götz (links unten) und Nanne Wienands vom
Verein gegen das Vergessen e. V., (ganz rechts) vor dem
evangelischen Gemeindehaus in Schwarzenbach/Saale. - Die
Gästebuchseite der Gruppe im Langen Gang.
Pressebericht Helena Bohle-Szacki
Vor einigen Tagen besuchten drei junge Polen die Städte Helmbrechts und
Schwarzenbach an der Saale. Marcin Rozyk ist Journalist und Kurator,
Katarzyna Siuepska und Kaspar Pawluk sind Studenten in Bialystok. In
Helmbrechts trafen sich die drei jungen Leute mit Bürgermeister Stefan
Pöhlmann und dem Vorstand des Vereins gegen das Vergessen; Hartmut Hendrich
und Nanne Wienands. Der Kontakt für dieses Kennenlernen und die Kooperation
der Gruppe wurde hergestellt von Ulrich Tempel, Archivar in der Berliner
Gedenkstätte "Topografie des Terrors", und Annabelle Lienhart, sie ist die
kommissarische Leiterin der historischen Abteilung der Gedenkstätte
Flossenbürg.
Die Vorgeschichte dieses Treffens ist das Leben einer Frau, die in der
Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wohl die dunkelsten
Stunden ihres Lebens erlebte: Helena Bohle-Szacki. Helena Bohle-Szacki
wurde im Februar 1928 in Bialystok in Polen geboren und starb im Jahr 2011
in Berlin. Nach dem Zweiten Weltkrieg studierte sie an der Staatlichen
Hochschule für Bildende Künste in Lodz und erwarb ihr Diplom im Fach Grafik.
Schließlich arbeitete sie als Modedesignerin und machte sich international
bei großen Firmen und Ausstellungen einen Namen. Ihre private Situation
brachte einen Umzug nach Berlin mit sich: sie bekam einen Lehrauftrag an der
bekannten Lette-Schule. Es gäbe viel zu erzählen über die Zeit ihres
Studiums und über ihre Berufstätigkeit.
Aber die Verbindung zu Helmbrechts kam schon sehr viel früher zustande:
Helena Bohle-Szacki wurde bereits 1944 von der deutschen Besatzung im
Gestapogefängnis in Bialystok inhaftiert. Sie wurde in das
Konzentrationslager Ravensbrück gebracht, von dort aus ging der Weg des
16jährigen Mädchens zur Zwangsarbeit in das Frauenkonzentrationslager
Helmbrechts. Unter unvorstellbaren Bedingungen mussten die Frauen für die
Nürnberger Firma Neumeyer, deren Produktionsstätten in Nürnberg zerbombt
worden waren, Rüstungsgüter in den Räumen der ehemaligen Textilfirma Witt
anfertigen. Helena Bohle-Szacki überlebte diesen Winter 1944/45 und sie
überlebte auch den Todesmarsch, der am 13. April 1945 für ca. 1170 Frauen
und Mädchen in Helmbrechts begann. Sie musste von Helmbrechts über
Schwarzenbach/Saale, Rehau und Asch bis nach Zwodau, dem heutigen Svatava im
heutigen Tschechien laufen. Auch dort mussten Hunderte Frauen in einer
Fabrik Zwangsarbeit leisten. Krank an Leib und Seele gelang es Helena, in
Zwodau zu bleiben. Ob sie dort sogar wieder zur Arbeit eingeteilt wurde,
weiß man nicht. Am 7. Mai 1945 erreichten amerikanische Truppen das Lager in
Zwodau und befreiten die Frauen. Man kann sich heute nicht mehr vorstellen,
wie das Mädchen es fertig brachte, mit dem Zug über Dresden und Warschau
nach Hause zu fahren zu ihren Eltern, die die Schreckensherrschaft überlebt
hatten. Über "Lilka", wie Helena auch genannt wurde, gibt es ein Buch in
polnischer und englischer Sprache, das jetzt sowohl im Helmbrechtser
Rathaus, als auch beim Verein gegen das Vergessen e. V. aufbewahrt wird. Im
Gegenzug nahmen die polnischen Studenten die Dokumentation über das
Konzentrationslager Helmbrechts und den Todesmarsch mit nach Hause.
Zurück in die Gegenwart nach Helmbrechts: das Anliegen der drei jungen Polen
war es, die Stätten aufzusuchen, an denen Helena gelebt und gearbeitet
hatte. Ihr konkretes Vorhaben ist es, im Textilmuseum im polnischen Lodz
eine Ausstellung der Werke von Helena Bohle-Szacki zu zeigen, und dazu
gehört selbstverständlich der Lebenslauf der Künstlerin. Mit Bürgermeister
Stefan Pöhlmann machte sich die Gruppe auf den Weg durch Helmbrechts. Leider
erinnert in der Stadt nur noch der Gedenkstein vor der Friedhofskapelle an
die Frauen, die in Helmbrechts soviel Unrecht erlitten hatten. Hartmut
Hendrich und Nanne Wienands berichteten vor Ort von den regelmäßigen
Gedenkveranstaltungen und den zahlreichen Informationen und Kontakten, die
sich im Laufe der letzten Jahre ergeben hatten. Später fuhr man gemeinsam
zur Gedenkstätte "Langer Gang" in Schwarzenbach an der Saale, relativ
authentisch auf dem Weg, den die Frauen im Frühjahr 1945 von Helmbrechts aus
laufen mussten. "Wo haben die Frauen geschlafen?" wollten die jungen Polen
wissen, "woher wissen Sie die Namen der Frauen? Wer hat die Kunstwerke im
"Langen Gang" angefertigt?" Die vielen Fragen konnten beantwortet werden,
und auch auf die Besonderheiten der juristischen Aufarbeitung ging Nanne
Wienands ein. Unvorhergesehen haben sich nach Fertigstellung der
Dokumentation im Jahr 2018 noch viele Schriftstücke, Beobachtungen und
Geschichten rund um die damaligen Ereignisse gefunden, erklärte sie den
interessierten Studenten. "Eine erneute Auflage müsste mit vielen Details
ergänzt werden," meinte sie.
Eine weitere Station in Helmbrechts aber war das dortige Textilmuseum -
und dort beginnt nun eine weitere "zufällige" Geschichte.
Durch das Textilmuseum Helmbrechts wurde die Gruppe von der Leiterin der
Einrichtung, Ulrike Oelschlegel geführt. Ulrike Oelschlegel hat ihre
Ausbildung zur Textilfachfrau und Fachlehrerin vor einigen Jahrzehnten an
der Lette-Schule in Berlin absolviert. Sie kann sich an Helena Bohle-Szacki
erinnern - die beiden "liefen sich über den Weg". Natürlich ohne zu
voneinander die Verbindung zu Helmbrechts oder auch nur zum Frankenwald zu
erahnen. Als Ulrike Oelschlegel sich am Abend vor dem Besuch der Gruppe auf
die Führung durch das Helmbrechtser Textilmuseum vorbereitete, erkannte sie
die Brisanz des Treffens und war tief erschüttert. Und natürlich wird
man nun in Helmbrechts über die Ausstellung mit den Werken von Helena
Bohle-Szacki nachdenken. Der Ausstellungsplan gibt ab dem Jahr 2023 die
Möglichkeit dazu. Die Studenten und der Kurator halten die Räumlichkeiten
für sehr gut geeignet.
Pressebericht Grüne zu Besuch zum Tag des offenen
Denkmals in der Gedenkstätte "Langer Gang"
Gemeinsam mit der grünen Landtagsabgeordneten Ursula Sowa aus Bamberg
nahm der Bundestagskandidat der Bündnisgrünen für den Wahlkreis
Hof/Wunsiedel, Ralf Reusch aus Hof, das Angebot wahr, am "Tag des offenen
Denkmals" die Gedenkstätte "Langer Gang" in Schwarzenbach an der Saale zu
besuchen. An diesem Tag war auch der gegenüber liegende Saal des
Evangelischen Gemeindehauses geöffnet, und man konnte dort den inzwischen
etwa zwanzig Jahre alten Film von Ludwig Mertel über die Befreiung des
Konzentrationslagers in Helmbrechts ansehen. Die zehn Besucherinnen und
Besucher kannten bis dahin die kleine Gedenkstätte nur vom Hörensagen und
zeigten sich tief beeindruckt. "Es ist ein großer Unterschied, ob man von
den Ereignissen hört oder liest, oder ob man authentische Bilder und
Berichte von Überlebenden sehen kann," meinte Ursula Sowa. Sie wies darauf
hin, dass von Flossenbürg aus, wo heute fast das gesamte Lagergelände für
Besucher offen ist, unvorstellbar viele kleinere Konzentrationslager
verwaltet wurden. "Die Arbeit des Vereins ist wichtig für das
Geschichtsverständnis einer ganzen Region," meinte sie als Bambergerin. "Nur
so kann man verstehen, wie nahe die Gräueltaten der Nazis an die Bevölkerung
herankamen." Nach der Filmbetrachtung konnte Nanne Wienands vom "Verein
gegen das Vergessen" den Besuchern noch viele weitere Begebenheiten
berichten, die erst nach der Erstellung der Dokumentation über das
Konzentrationslager Helmbrechts und den Todesmarsch der 1170 Frauen und
Mädchen nach Volary im heutigen Tschechien bekannt geworden sind. Zwei
bemerkenswerte Besonderheiten sind aber schon viel länger bekannt: der
Verbleib der Gräber der in der Nacht vom 13. auf den 14. April 1945 in
Schwarzenbach gestorbenen Frauen auf dem Schwarzenbacher Friedhof, sowie die
juristische Aufarbeitung der Verbrechen des Lagerleiters Alois Dörr in den
1960er Jahren vor dem Hofer Landgericht und die Bestätigung des Urteils von
der nächsthöheren Instanz. Das Urteil für Dörr lautete damals "lebenslange
Haft"; er wurde aber nach Fürsprache des damaligen bayerischen
Ministerpräsidenten Alfons Goppel vorzeitig aus der Haft entlassen.
Die Gedenkstätte "Langer Gang" ist am Sonntag, 3. Oktober 2021 von 14 - 16
Uhr wieder geöffnet. Individuelle Termine für Einzelpersonen und Gruppen
können unter 0160 5518825 vereinbart werden.
Das Bild zeigt vlnr: Nanne Wienands, Ralf Reusch, Ursula Sowa.
Pressebericht Rückblick und Vorstandswahlen beim "Verein gegen das Vergessen e.
V."
Mit einem intensiven und bewegenden Rückblick auf das Konzert zum
zwanzigjährigen Bestehen des Vereins am 4. Juli 2021 begann die
Jahreshauptversammlung des "Vereins gegen das Vergessen e. V." in
Schwarzenbach an der Saale. Der Verein schuf dort vor 20 Jahren die
Gedenkstätte "Langer Gang", die er seit Fertigstellung und Einweihung am 9.
November 2004 betreut. Grund für die Schaffung der Gedenkstätte war die
Erinnerung an die über 1170 Frauen und Mädchen, die am 13. April 1945 in
Schwarzenbach die erste Nacht des Todesmarsches von Helmbrechts nach Volary
verbringen mussten. Das Konzert mit Friedensliedern von Sonja&Wulli musste
leider als "Geschlossene Veranstaltung" stattfinden. Sobald sich die
Möglichkeit ergibt, wird es auf vielfachen Wunsch nochmals öffentlich
organisiert.
"Im vergangenen Jahr 2020 haben trotz der Coronamaßnahmen 118 Menschen
die Gedenkstätte besucht," konnte erster Vorsitzender Hartmut Hendrich in
seinem Rückblick ausführen. Im Herbst des Jahres 2020 besuchten mehrere
Gruppen die Gedenkstätte. Weil es dann auch möglich ist, den von Ludwig
Mertel erstellten Film zum Konzentrationslager Helmbrechts anzusehen, sind
Gruppenbesuche intensiver und tiefergehend als der spontane Besuch der
Gedenkstätte an den offenen Sonntagnachmittagen jeweils am ersten Sonntag im
Monat. Hendrich erinnerte an das Theaterstück "Enisas Tagebuch", das im
Oktober 2020 zweimal gezeigt wurde. Zwei Lesungen aus der Dokumentation des
Vereins zum Konzentrationslager Helmbrechts und zum Todesmarsch konnten im
Herbst 2020 stattfinden: in Arzberg und Naila. Zwei weitere Lesungen wurden
wegen der Coronakrise abgesagt bzw. verschoben. Eine Veranstaltung zu den
historischen Hintergründen des KZ`s Moschendorf musste ebenfalls verschoben
werden; ein neuer Termin wird gesucht. Die Dokumentation wurde inzwischen
mehrmals nachgedruckt. Ein interessanter Kontakt ergab sich zu einer aus
Rehau stammenden älteren Dame, die die Frauen auf dem Todesmarsch gesehen
hat, und ihre Beobachtungen ebenfalls in einem Buch festgehalten hat.
Überhaupt, so betonte Hendrich, sei das Buch Anlass für vielerlei Kontakte,
die im Moment intensiviert werden. In diesem Zusammenhang dankte er
ausdrücklich Regina Scholz, die nicht nur die Kasse sehr ordentlich führt,
sondern auch für den Versand der Bücher verantwortlich zeichnet.
Die
alljährlichen Gedenkveranstaltungen am 27. Januar, 13. April und 9. November
wurden aufgrund der Pandemie im kleinen Kreis organisiert und waren zeitlich
begrenzt. Die Mitgliederzahl des Vereins ist stabil bei 50 Personen und
Institutionen. Nanne Wienands berichtete über die Arbeit des Vereins im
bisherigen Jahr 2021. Dazu gehörte auch die Teilnahme an der Gedenkstunde
zum 100. Geburtstag von Sophie Scholl bei der Schwarzenbacher
Geschwister-Scholl-Mittelschule am 9. Mai 2021. Sophie Scholl war gemeinsam
mit ihrem Bruder Hans Scholl maßgeblich an der Arbeit der Widerstandsgruppe
"Weiße Rose" beteiligt und wurde am 22. Februar 1943 von den Nazis
hingerichtet. Ihre Zivilcourage ist seither Vorbild vor allem für die
Schülerinnen und Schüler, die eine Schule mit ihrem Namen besuchen.
Für das kommende Jahr 2022 stellte Hendrich die seit langem geplante
Fahrt in das jüdische Museum in Untersteinach in Aussicht; ein Termin wird
rechtzeitig bekanntgegeben. Geplant ist auch eine Peer-Schulung für junge
Menschen, möglicherweise in Zusammenarbeit mit der Anne-Frank-Stiftung in
Berlin. Auch dazu erfolgt im Herbst 2021 eine Einladung für junge Menschen
über die entsprechenden Institutionen.
Die Neuwahlen ergaben folgendes Ergebnis:
Erster und zweite Vorsitzende blieben Hartmut Hendrich aus Hof und Nanne
Wienands aus Schwarzenbach/Saale, Kassiererin ist wieder Regina Scholz aus
Oberkotzau, die Schriftführung übernimmt Birgit Schreier aus
Schwarzenbach/Saale. Beisitzer sind Günter Niepel und Michael Stumpf,
Kassenprüfer*in wurden Gabriela Möckel und Bertram Popp; alle aus
Schwarzenbach/Saale.
Das Bild zeigt vlnr: Nanne Wienands, Gabriela Möckel, Regina Scholz,
Hartmut Hendrich, Günter Niepel und Birgit Schreier
- die beiden Musiker, (Foto: Renate Grohmann) - sowie
Hartmut Hendrich und Nanne Wienands, die Vorsitzenden des Vereins
gegen das Vergessen e. V. (Foto: Claudia Plaum)
PresseberichtNanne Wienands,
"Geschlossene Gesellschaft" hieß es
am vergangenen Sonntag in der Schwarzenbacher Kleinkunstbühne "
Hinterhalt". Was am 4. Juli 2001 im Cafè Rheingold am gleichen Ort
begann, konnte am 4. Juli diesen Jahres zwanzigjähriges Bestehen
feiern: der Verein gegen das Vergessen e. V.
Seit zwanzig
Jahren ist Hartmut Hendrich der erste Vorsitzende des Vereins, und
er blickte auf den Gründungstag vor 20 Jahren zurück: "Wir trugen
Informationen zu allen Stätten der Gedenkarbeit im Landkreis und der
Stadt Hof zusammen. Dabei stießen wir auf das Gebäude "Langer Gang",
es war am zusammenbrechen. Gemeinsam mit Kreisjugendpfleger Franz
Munzert und vielen anderen interessierten Menschen kam die Idee auf,
hier für die 1170 Frauen aus dem Konzentrationslager Helmbrechts
eine Gedenkstätte einzurichten. Das war der Beginn unseres Vereins,"
führte er aus und erwähnte die Namen aller, die seit 20 Jahren aktiv
sind und bedankte sich für allen Einsatz: Regina Scholz als
Kassiererin, Gabriela Möckel und Bertram Popp als Kassenprüfer,
sowie Elfriede Hertel als langjährige Schriftführerin und
Beisitzerin, und vor allem Günter Niepel als dem sehr aktiven und
umsichtigen 2. Vorsitzenden, der erst vor zwei Jahren nicht mehr zur
Wahl angetreten war: auch um ein Zeichen zu setzen für die
notwendige Erneuerung des Vereins. Darauf machte auch die jetzige 2.
Vorsitzende, Nanne Wienands, aufmerksam, die die Organisation des
Abends übernommen hatte, und die sich vor allem bei Hartmut Hendrich
bedankte: zwanzig Jahre die Verantwortung des Vorstands zu tragen,
sei nicht selbstverständlich, meinte sie. Vier Jahre dauerte es, bis
die Gedenkstätte am 9. November 2004 eingeweiht werden konnte.
Seitdem war sie - bis auf die Coronazeit - an jedem ersten Sonntag
im Monat von 14 Uhr - 16 Uhr geöffnet.
Aber das alles gehörte nur zur
kurzen Begrüßung. Dann ging symbolisch der Vorhang auf für
tolle, handgemachte und stimmgewaltige Musik: Sonja Tonn&Wulli Wullschläger aus Erlangen waren zu
Gast mit ihrem Spezialprogramm "Friedenslieder". Unzählige Künstler
und Interpreten haben sich zu Frieden, Gewaltfreiheit, für ein
gemeinsames Miteinander und eine offene Gesellschaft Gedanken
gemacht und Lieder geschrieben, so dass rasch zwei Stunden gefüllt
waren mit Songs von Bob Dylan, PUR, Reinhard Mey, John Lennon,
Wishful Thinking, Michael Jackson, Cat Stevens, Udo Lindenberg und -
natürlich - Hannes Wader. Auch Eigenkompositionen der Musiker, die
wunderbare Begebenheiten erzählten, bekamen die Zuhörer*innen zu
Ohr: die Geschichte einer großen und mit Respekt gelebten Liebe, die
Geschichte eines Erlanger Originals; ein Mann, der nach Krieg und
Gefangenschaft nur noch seinen Leidenschaften lebte, mit Bildern
seine Rechnungen bezahlte und "Der letzte Gaukler" von Erlangen war.
Ob bei "Hiroshima", "Imagine" oder "Sag mir wo die Blumen sind"
- das kleine Publikum, in erster Linie Mitglieder des Vereins, waren
begeistert von der Stimmgewalt einer Sonja Tonn und der
erfindungsreichen Gitarrenbegleitung von Wulli Wullschläger. Beide
waren bereits im Herbst 2019 in Wunsiedel zu Gast -
man findet sie häufig bei Ereignissen der Erinnerungskultur und im
Einsatz gegen Rechtsextremismus. Ihr Repertoire ist umfassend,
kleine Kostproben daraus waren natürlich integriert. Dass die Gäste
viele Lieder mitsingen, summen und bewegen konnten, wurde vor allem
bei "Meine Söhne geb` ich nicht" deutlich oder bei Hannes Wader`s
Song "Es ist an der Zeit". Die Flüchtlingssituation von heute bringt
die Band PUR auf die Bühne, wenn sie "Neue Brücken" in den
Mittelpunkt stellt. "Eigentlich müsste unsere Welt viel besser
aussehen," meinte eine Besucherin, "diese Lieder sind ja nicht neu.
So viele herausragende Musiker haben sich für den Frieden
eingesetzt, und es gibt trotzdem immer mehr schreckliche Kriege!"
Zu allen Liedern gab es kleine
Anekdoten, Hinweise auf besondere Zusammenhänge oder Einblicke in
das Leben der Künstler - z. B. wenn Reinhard Mey in "Mein Berlin"
singt: "es war Winter '46, ich war vier und hab gefror'n" - Reinhard
Mey wird im kommenden Jahr 80 Jahre alt. "Autumn leaves" von Joseph Kosma erinnerte an das Leben,
Überleben und Sterben im Konzentrationslager. Ganz aktuell scheint
"Where do the children play?", wenn man die heutigen
Fluchtbewegungen ansieht, zu denen Millionen Menschen wegen Krieg,
Armut und Umweltkatastrophen gezwungen werden.
Unterstützt vom Bundesprogramm "Demokratie leben!", dessen
Verantwortlicher Stefan Denzler den gesamten Abend mit Begeisterung
dabei war, konnten die Gäste eine ungewöhnliche und gleichzeitig
wunderbare Geburtstagsfeier erleben, frei von Referaten und
Grußworten. Alle erlebten einen nachdenklich stimmenden,
bewegenden Abend zum 20. Geburtstag des " Vereins gegen das
Vergessen", der mit dem Lied endete "Gute Nacht, Freunde ..."
unplugged und live.
- die beiden Musiker, (Foto: Renate Grohmann) - sowie
Hartmut Hendrich und Nanne Wienands, die Vorsitzenden des Vereins
gegen das Vergessen e. V. (Foto: Claudia Plaum)
Vertreter*innen der
Schulfamilie gedenken der
Widerständlerin
Einige der
Vertreter*innen der
Geschwister-Scholl-Mittelschule
von links: die
Katholische
Religionspädagogin
Astrid Schubert,
Pfarrerin Annett
Treuner, die
Schülersprecherin
Melena Windrich,
Bürgermeister
Hans-Peter Baumann,
Rektor Sebastian
Lehmann, Schüler der
achten Klasse und
Gewinner des
Logowettbewerbs in
Kunst zum Thema
"Weiße Rose", Pascal
Knapp, Nanne
Wienands vom Verein
gegen das Vergessen
e.V., Roland Marx,
1. Vorsitzender des
Fördervereins.
Trotz derzeitiger
Schwierigkeiten,
Veranstaltungen
durchzuführen, ließ es
sich die
Geschwister-Scholl-Mittelschule
nicht nehmen, im kleinen
Kreis Vertreter*innen
der Schulfamilie zu
einer Gedenkstunde
anlässlich des
hundertsten Geburtstags
von Sophie Scholl am
09.05. im Schulhof zu
versammeln.
Die Schülersprecherin
Melena Windrich begrüßte
die andächtige Runde bei
schönstem
Muttertagswetter, um im
Anschluss die
entscheidenden und
beeindruckenden Eckdaten
der Vita Sophie Scholl
in Erinnerung zu rufen.
So erzählte sie von der
Wandlung einer aktiven
Anhängerin im Bund
Deutscher Mädchen hin
zur Kämpferin innerhalb
der Widerstandsgruppe
Weiße Rose, die sich
gegen Hitlers Krieg und
seine Diktatur und für
mehr Freiheit und
Gerechtigkeit einsetzte.
Im weiteren Verlauf
gaben einzelne
Mitglieder der
Schulfamilie
unterschiedliche
informative,
einfühlende, lehrreiche
und bildhafte, aber auch
persönliche Eindrücke
der Umstände um das
Leben Sophie Scholls und
die berechtigte
gegenwärtige
Bedeutsamkeit wider. So
bezog sich Rektor
Sebastian Lehmann in
seinem Beitrag auf die
im Lehrplanprofil zu
vermittelnde
Alltagskompetenz, die
sich auch darin
widerspiegelt, ob ein
Lernender Recht und
Unrecht zu unterscheiden
weiß. Dass es die Schule
mit der Botschaft Sophie
Scholls ernst nimmt und
von nun an auch
symbolisch zeigt, wurde
durch einen schulweiten
Logo-Wettbewerb zum
Thema Weiße Rose
anlässlich des
Jahrestages von Sophie
Scholl umgesetzt. Der
Schüler Pascal Knapp
(Klasse 8a) erhielt aus
den Händen des
Schulleiters ein
Finger-Skateboard als
Preis für den aus der
Sicht der
Lehrerkonferenz besten
Entwurf, der ab sofort
das Gesicht der Schule
zeigt. Bürgermeister
Baumann rekapitulierte
die bereits 25 Jahre
zurückliegende
Umbenennung der
Schwarzenbacher
Bildungseinrichtung in
Geschwister-Scholl-Mittelschule.
Die kirchlichen
Vertreter
interpretierten die
bislang unbekannte
Namensgebung der
Widerstandsgruppe Weiße
Rose und bezogen sich
auch auf die
christlichen Werte, die
in der Familie Scholl
sehr stark gelebt
wurden. Nanne Wienands
vom Verein gegen das
Vergessen e.V. versetzte
die Anwesenden in die
fiktive Gedankenwelt
einer Sophie Scholl
während der Tage nach
ihrer Verhaftung. Als
Akt der Verbundenheit
überreichte sie der
Schule eine
Erinnerungstafel an
diesen Gedenktag. Diese
zeigt das durch den
Comickünstler Nils
Oscamp stilisierte
Abbild von Sophie Scholl
und das Zitat: „Zerreißt
den Mantel der
Gleichgültigkeit, den
Ihr um Eurer Herz
gelegt.“ Der
Fördervereinsvorsitzende
Roland Marx sprach im
Sinne aller Anwesenden
inspirierende Fürbitten
aus. Symbolisch
befestigten die Redner
nach ihren Beiträgen
weiße Rosen an Ranken,
wie auf dem Bild zu
erkennen ist.
Das Fingerboard,
das Pascal Knapp
für seinen
Entwurf des Schullogos
erhielt, mit dem
eingelaserten Logo von
ihm.
Das Fingerboard, das Pascal Knapp
für seinen Entwurf des
Schullogos erhielt, mit dem
eingelaserten Logo von ihm.
Trauer in Schwarzenbach an der Saale Manfred Möckel ist tot
Der SPD-Stadtrat war ein vielfach engagierter Mensch und machte sich stark
für Werte wie Solidarität und Gerechtigkeit. Am Freitag ist Manfred Möckel
gestorben.
Schwarzenbach an der Saale - Tief betroffen nimmt die SPD-Fraktion in
Schwarzenbach an der Saale Abschied von ihrem Fraktionskollegen Manfred
Möckel. Wie die SPD mitteilt, ist Manfred Möckel am vergangenen Freitag
gestorben. Mit ihm verlieren die Sozialdemokraten in Schwarzenbach vor allem
einen herzensguten Menschen, heißt es in dem Nachruf seiner
Fraktionskollegen. Möckel habe seinen Mitmenschen mit seiner humorvollen Art
und oft auch durch seine Cartoons im Amtsblatt oder am Aushang der Bäckerei
Fiedler ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. „Unsere Fraktion verliert einen
treuen und langjährigen Mitstreiter, der sich seit 2008 im Stadtrat der
Stadt Schwarzenbach vielseitig, besonders aber für die Bekanntheit und
Attraktivität Schwarzenbachs für Touristen stark machte“, heißt es in dem
Nachruf.
Noch im Herbst hat Manfred Möckel eine seiner Herzensangelegenheiten, den
Wohnmobilstellplatz, erneut im Stadtrat aufs Tableau gebracht. Und als
bekennender Donaldist – was unter anderem am Nummernschild des
stadtbekannten VW-Busses zu erkennen ist – hat er mit seiner Frau Gabi auf
Reisemessen und in vielen Ländern leidenschaftlich Werbung für das
Erika-Fuchs-Haus in Schwarzenbach gemacht.
Für Werte wie Gerechtigkeit und Solidarität hat er sich als
DGB-Ortskartellvorsitzender hartnäckig stark gemacht und dies immer wieder
seinen Mitmenschen in Erinnerung gerufen. „Seine Weltoffenheit und
Mitmenschlichkeit machten ihn zum langjährigen und entschiedenen Kämpfer
gegen rechtes Gedankengut und rechtsradikale Gewalt“, betont die
SPD-Fraktion. Manfred Möckel hat sich nicht zuletzt auch im Verein gegen das
Vergessen“ und in der Gedenkstätte „Langer Gang“ in Schwarzenbach engagiert.
Auch für die Feuerwehr hat sich Manfred Möckel stark gemacht – sechs Jahre
lang bis zur Kommunalwahl im Mai auch in seiner Funktion als
Feuerwehrreferent im Schwarzenbacher Stadtrat.
Reisen mit seiner Frau, um fremde Kulturen, neue Menschen und als Taucher
auch die Unterwasserwelt kennenzulernen, gehörten zu seinen privaten
Highlights.
Nanne
Wienands vom Verein gegen das Vergessen und Eva Petermann von der VVN-BdA
Hof-Wunsiedel vor dem Grabstein des Schwarzenbacher Nazigegners Hans Grüner,
der als junger Mann zehn Jahre im KZ Dachau war.
Pressebericht
Gäste aus Bayreuth in der Gedenkstätte "Langer Gang"
Stellvertretend für alle Bayreuther Besucher legte Andreas Porst an der
Gedenkstätte "Langer Gang" einen Strauß Rosen für die Opfer der
nationalsozialistischen Gewalttaten nieder. Die zehn Besucherinnen und
Besucher waren auf Einladung der VVN-BdA Bayreuth, Verein der Verfolgten des
Nazi-Regimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, nach
Schwarzenbach/Saale gekommen. Fast alle waren erstmals in der Saalestadt und
nutzen den Aufenthalt auch für einen Rundumblick. Im Mittelpunkt stand aber
der gut vorbereitete Besuch in der Gedenkstätte "Langer Gang". "Es ist ein
großer Unterschied, ob man das Buch über die damaligen Ereignisse liest,
oder ob man am authentischen Ort des Geschehens steht," meinte Leo Rauh, der
Organisator der Gruppe. Günter Niepel und Nanne Wienands erläuterten den
Gästen die Ereignisse vom April 1945. Etwa 550 weibliche Häftlinge
internationaler Herkunft mussten für etwa ein Jahr in Helmbrechts in einem
Konzentrationslager für die Rüstungsindustrie arbeiten. Sie wurden für
geringste "Vergehen" grausam bestraft, auf engstem Raum waren sie
untergebracht. Mit 600 jüdischen Häftlingsfrauen, die erst wenige Wochen
vorher angekommenen waren, wurden sie auf einen Todesmarsch gezwungen. Die
letztgenannten Frauen hatten bereits hunderte Kilometer zu Fuß hinter sich;
sie kamen aus Grünberg in Schlesien und waren unglaublichen Strapatzen
ausgeliefert gewesen. Die etwa 1170 Frauen und Mädchen mussten die Nacht vom
13. zum 14. April 1945 in einem Garten in Schwarzenbach/Saale verbringen.
Drei Wochen waren sie unterwegs, bis sie in Volary im heutigen Tschechien
von den Amerikanern befreit wurden. In einem ähnlichen Lager in Zwodau -
heute das tschechische Svatava - wurden sie getrennt und mit anderen Gruppen
vermischt; das macht die heutige Erforschung von Zielen und Namen ungemein
schwierig.
Die beiden Vertreter des Vereins gegen das Vergessen e. V., die die
Gedenkstätte seit dem Jahr 2004 mitverantworten, erklärten einige
Besonderheiten dieses Todesmarsches: die Bestattung und den Verbleib der
Gräber von sechs Frauen, die die erste Nacht in Schwarzenbach/Saale nicht
überlebt hatten, die Verurteilung des KZ-Kommandanten Alois Dörr vor dem
Landgericht in Hof in den 1960er Jahren, sowie die lebenslange Suche des
US-Soldaten Bernard Robinson nach den Namen der Frauen, die den Marsch
erleben mussten. Bernard Robinson hatte als junger Soldat in Salzburg eine
Überlebende des Todesmarsches kennengelernt; die beiden heirateten. Als Sohn
jüdischer Flüchtlinge war Robinson in USA aufgewachsen. Die Erforschung des
Schicksals seiner Frau wurde zu seinem Lebensthema. Der Film von Ludwig
Mertel über das KZ Helmbrechts und die Zeit nach der Befreiung bis zum
Beginn der Aufarbeitung sorgte für Betroffenheit. "Wir fassen hier die
Fakten zusammen," meinte Günter Niepel anschließend. "Es geht uns nicht um
Schuld, sondern um die Verantwortung, damit solches Unrecht nie wieder
passiert."
Das Bild zeigt Andreas Porst bei der Niederlegung der Rosen.
Individuelle Besuche in der Gedenkstätte können vereinbart werden: 0160
5518825.
Spendenübergabe
von der IGMetall
an den
Verein gegen das Vergessen e. V.
Pressebericht Besuch aus dem
Vogtland in der Gedenkstätte "Langer Gang"
Einen ganzen Samstagnachmittag lang
beschäftigten sich zehn Gäste aus dem Vogtland mit der Gedenkstätte "Langer
Gang" in Schwarzenbach/Saale. Peter Giersich hatte die Fahrt vorbereitet,
Doritta Korte und Steffen Unglaub aus dem Vogtland begleiteten die Gruppe.
Alle Besucher waren Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes - Bund der Antifaschisten. Die VVN-BdA ist ein überparteilicher
Zusammenschluss von überlebenden NS-Verfolgten, aber auch von Angehörigen
der nachfolgenden Generationen. Da einige der Besucher aus dem
Vogtland bereits das 80. und sogar das 90. Lebensjahr überschritten hatten,
lässt sich unschwer ahnen, dass sie als Kinder den Krieg und den Terror der
Nazis erlebt haben. Die Familien haben gelitten, die Nachkriegszeit hat ihre
Spuren hinterlassen, und das politische Bewusstsein, Erinnerungen und viel
Detailwissen hat die Menschen geprägt. Davon wurde in den Gesprächen vieles
wieder lebendig.
Im "Langen Gang" kam durch die Erklärungen von Nanne
Wienands und Günter Niepel das Grauen der Nazizeit noch einmal ganz nah. Die
Geschichte der 1170 Frauen, die am 13. April 1945 von Helmbrechts aus auf
den Todesmarsch nach Volary im heutigen Tschechien getrieben wurden, wurde
wieder spürbar. Etwa 500 der Frauen mussten in Helmbrechts monatelang für
die Rüstungsindustrie arbeiten, bei schlechter Versorgung und drastischen
Strafen für jedes Verhalten, das als Vergehen gewertet wurde. Weitere über
600 Frauen waren erst wenige Wochen vor dem Todesmarsch nach Helmbrechts
gekommen - zu Fuß mussten sie wochenlang bei Kälte und Schnee aus Grünberg
in Schlesien nach Helmbrechts laufen. Sie waren alle vollkommen erschöpft
und nicht mehr arbeitsfähig, sie wurden praktisch ohne Versorgung in einer
Baracke eingesperrt. Viele Fragen gab es zu dem Film von Ludwig Mertel, der
u. a. die Exhumierung von in Helmbrechts gestorbenen Frauen zeigt .
Die Besonderheiten der Ereignisse im
KZ Helmbrechts, während des Todesmarsches, bei der Befreiung der Frauen und
bei der juristischen Aufarbeitung wurde den Besuchern erläutert und sorgte
für viel Gesprächsstoff. Es gingen im Frühjahr 1945 hunderte Todesmärsche
durch ganz Deutschland. Der Marsch von Helmbrechts nach Volary ist sehr früh
erforscht und dokumentiert worden. Grund ist die Facharbeit des damaligen Abiturienten Klaus Rauh aus Helmbrechts
aus den 1980er Jahren, und die lebenslange Suche des ehemaligen
amerikanischen Soldaten Bernard Robinson nach den Namen der Opfer. Seit dem
Jahr 2019 ist diesem Todesmarsch eine Veröffentlichung in Buchform gewidmet.
Die Vorsitzende der Hofer VVN-BdA, Eva Petermann, hatte es sich nicht nehmen
lassen, an diesem Nachmittag dabeizusein. Ein wunderschöner Blumenstrauß mit
einem Gruß aus dem Vogtland wurde an der Gedenkstätte niedergelegt. Einige
der Besucher gingen nach dem Film und den Erläuterungen nochmals allein in
die kleine Gedenkstätte, um die Stimmung aufzunehmen. Ein oft gewürdigtes
Objekt war dabei die Bodeninstallation von Dietrich Kelterer. Dem Plauener
Künstler fühlten sich die Besucher besonders verbunden.
Der nächste Tag, an dem die
Gedenkstätte für die Öffentlichkeit geöffnet hat, ist Sonntag, der 4.
Oktober 2020 von 14 - 16 Uhr. Einen Termin für einen individuellen Besuch
einer Gruppe kann unter 1060 5518825 vereinbart werden.
Die Bilder zeigen - eine Besucherin allein in der Gedenkstätte - der
Blumengruß aus dem Vogtland
Das
Bild zeigt vlnr: Hartmut Hendrich, Nanne Wienands, Gabriela Möckel, Regina
Scholz, Robert Geigenmüller, Volker Seidel, Mirjam Drechsel
Gerade während dieser heiklen Pandemiezeit brechen den Vereinen die
Mittel weg - die festen Kosten laufen weiter, Veranstaltungen können aber
nicht stattfinden. Deswegen waren die Verantwortlichen des Vereins gegen das
Vergessen e. V., die in Schwarzenbach/Saale die Gedenkstätte "Langer Gang"
betreuen und organisieren, doppelt dankbar für eine Spende der IGMetall.
1500,00 Euro überreichte Volker Seidel, Geschäftsführer der IG Metall
Ostoberfranken am Gedenkstein in Helmbrechts an die Vorsitzenden Hartmut
Hendrich und Nanne Wienands, sowie an Kassiererin Regina Scholz. Die Spende
geht zurück auf einen Besuch in der Gedenkstätte "Langer Gang" in
Schwarzenbach/Saale, die auch am kommenden Sonntag wieder geöffnet ist. Im
März diesen Jahres hatte Mirjam Drechsel aus Schwarzenbach am Wald den
Besuch für eine Gruppe interressierter SPD-Mitglieder organisiert. Der 2.
Bürgermeister von Helmbrechts zeigte sich in Vertretung von Bürgermeister
Stefan Pöhlmann dankbar für die Arbeit, die der Verein leistet. "Es war für
die Bürger von Helmbrechts in der Nachkriegszeit nicht leicht zu verkraften,
dass in ihrer Stadt ein Konzentrationslager existiert hatte," meinte er bei
der Spendenübergabe.
Hendrich erläuterte kurz das Zustandekommen des Buches über das Lager in
Helmbrechts und den dreiwöchigen Todesmarsch der über 1000 Frauen ins
tschechische Volary. "800 Exemplare der Dokumentation sind bis jetzt
gedruckt worden. Es ist eine Zusammenfassung der Ereignisse und geht zurück
auf die Facharbeit von Klaus Rauh, die er als Abiturient verfasst hat. Im
Buch wurden auch die Ereignisse im Umfeld von Helmbrechts dargestellt und
die juristische und menschliche Arbeit danach. Wir haben an viele Schulen in
der Umgebung Bücher verschenkt, damit dieses Wissen nicht verloren geht -
für diese Ausgaben kommt die Spende genau richtig," meinte Hendrich.
Die
Gedenkstätte "Langer Gang" ist an jedem ersten Sonntag im Monat von 14 - 16
Uhr geöffnet, zu finden ist sie in der Nähe des Bahnübergangs in
Schwarzenbach/Saale. Gruppen können Besuchstermine auch frei vereinbaren
unter 09284 801536.
Blumen am Gedenkstein in Helmbrechts
Das Bild zeigt:
im Vordergrund Regina Scholz,
Nanne Wienands,
Klaus Rauh, Mirjam Drechsel und Bürgermeister Stefan Pöhlmann
Urhebervermerk Foto: Hannes Bessermann
13. April 1945: Todesmarsch vom KZ-Außenlager Helmbrechts
Vor 75 Jahren, am 13. April 1945, begann in der Kleinstadt
Helmbrechts der Todesmarsch von 1.170 Frauen aus dem
KZ-Außenlager. Nur 350 Frauen überlebten den Weg. Zur Erinnerung
legten Ehrenamtliche eine Blumenschale auf dem Helmbrechtser
Friedhof ab.
Nur 350 von fast 1.200 Frauen überlebten den rund 200 Kilometer
langen Weg nach Volary (Wallern) in Südböhmen. Der Großteil
verhungerte unterwegs, brach entkräftet zusammen oder wurde von
den SS-Aufseherinnen und -Aufsehern erschlagen oder erschossen.
Die für Ostermontag geplante Gedenkfeier anlässlich des 75.
Jahrestages des
Todesmarsches musste zwar ausfallen – doch zur Erinnerung an
die KZ-Häftlinge legten Ehrenamtliche vom "Verein gegen das
Vergessen" zusammen mit Bürgermeister Stefan Pöhlmann eine
Blumenschale am Gedenkstein auf dem Helmbrechtser Friedhof ab.
Todesmarsch ist gut erforscht
Kurz vor
Kriegsende trieb die SS in ganz Deutschland KZ-Häftlinge
durchs Land. "Der Todesmarsch von Helmbrechts, wo ein Außenlager
des KZ Flossenbürg war, gilt als einer der am besten
erforschten", so Nanne Wienands vom "Verein gegen das
Vergessen". Im BR-Gespräch verweist sie vor allem auf die
intensive Archiv-Arbeit des Helmbrechtsers Klaus Rauh seit den
80er Jahren hin und auf die sogenannte "Robinson-Liste". Der
US-Amerikaner Bernard Robinson hatte akribisch die Namen der
Zwangsarbeiterinnen und jüdischen Häftlinge im KZ-Außenlager
Helmbrechts zusammengetragen – seine Ehefrau Amalie Mary
Reichmann hatte den Todesmarsch überlebt.
Helmbrechts als Frauen-Außenlager
Das KZ Helmbrechts wurde 1944 als Frauen-Außenlager für das KZ
Flossenbürg errichtet. Die Häftlinge mussten in Helmbrechts für
die Nürnberger Rüstungsfabrik Neumayer arbeiten. Der aus
Baden-Württemberg stammende Lagerkommandant Alois Dürr wurde
1962 verhaftet, nachdem ihn eine frühere KZ-Gefangene zufällig
auf einem Zeitungsfoto als Feuerwehr-Kommandant wiedererkannt
hatte. Das Landgericht Hof verurteilte den Lagerkommandant 1969
wegen gemeinschaftlich begangenen fünffachen Mordes zu
lebenslanger Haft - zehn Jahre später wurde Dörr allerdings
begnadigt.
Gedenkstätte "Langer Gang"
Neben dem Gedenkstein auf dem Helmbrechtser Friedhof erinnert
die Gedenkstätte "Langer Gang" in Schwarzenbach an der Saale an
das Martyrium der Frauen. Schwarzenbach war die erste Station
des Todesmarschs, in der kalten Nacht vom 13. auf den 14. April
1945 mussten die KZ-Häftlinge im Freien schlafen, sechs von
ihnen starben damals, so Nanne Wienands. Der "Verein gegen das
Vergessen" hat 2019 ein Buch über das Frauen-KZ Helmbrechts und
den Todesmarsch von Helmbrechts nach Volary in Tschechien
veröffentlicht. In der südböhmischen Stadt Volary (Wallern)
wurden die Frauen am 4. Mai 1945 von der US-Armee befreit –
allerdings starben rund 100 von ihnen kurz danach, sie wurden
auf dem dortigen Friedhof bestattet.
Museum derzeit geschlossen
Die Gedenkstätte "Langer Gang" in Schwarzenbach an der Saale
kann nach Aufhebung der coronabedingten Ausgangsbeschränkungen
wieder besucht werden. Das kleine Museum in der Nähe des
Bahnhofs ist jeden ersten Sonntag im Monat sowie nach
Vereinbarung geöffnet.
Derzeit ist das Museum "Langer Gang" in Helmbrechts
coronabedingt geschlossen.
Pressebericht
Besuch in der Gedenkstätte Langer Gang
Die Bilder Zeigen
- einen Blick durch das Fenster auf ein Werk von
Professor Klaus Schröter aus Münchberg
- einen Teil der Besuchergruppe
Mirjam Drechsel hatte als stellvertretende Vorsitzende des
SPD-Kreisverbandes Hof-Land im Rahmen der Reihe "Termine für Frauen" zu
einem Besuch in die Schwarzenbacher Gedenkstätte "Langer Gang" eingeladen.
Wie interessant so ein Besuch ist, zeigte sich auch darin, dass eine ganze
Reihe von Männern teilnahmen; unter ihnen MdL Klaus Adelt und Volker Seidel,
Geschäftsführer der Gewerkschaft IG Metall Ostoberfranken. Regina Scholz vom
"Verein gegen das Vergessen e. V." begleitete die Gruppe in der Gedenkstätte
und erklärte die historischen Begebenheiten vom April 1945 sowie die
Ausgestaltung des Gebäudes "Langer Gang" mit Kunstwerken von Ludwig Mertel,
Udo Rödel, Professor Klaus Schröter und Dietrich Kelterer. Die Absicht von
Mirjam Drechsel, den Frauen ein Gesicht zu geben, die im Konzentrationslager
Helmbrechts als Arbeitshäftlinge Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie
verrichten mussten, gelang gut an diesem Nachmittag.
Mirjam Drechsel schrieb nach dem Besuch ihre Gedanken auf: "... ich
bin eigentlich kalte Temperaturen gewöhnt. Aber mich hat es heute in
Schwarzenbach an der Saale gefroren, obwohl ich eine Allwetterjacke trug.
Wie mögen sich die Frauen gefühlt haben, die zu Fuß unterwegs waren,
getrieben wie Vieh, und völlig entkräftet hier ihr erstes Etappenziel
erreichten? Ohne Nahrung, Kleidung und Medikamente hatte man sie unter
grausamer Bewachung auf diesen Marsch geschickt, als klar war, dass die
näher rückenden amerikanischen Truppen die Greueltaten der Nazis entdecken
würden, räumte der Kommandant Alois Dörr das Lager Helmbrechts. Etwa sechzig
todkranke und nicht mehr marschfähige Frauen ließ er auf einem Fuhrwerk
transportieren. Sechs von ihnen starben in dieser Nacht in Schwarzenbach,
zehn der marschierenden Frauen wurden auf dem Weg von Helmbrechts nach
Schwarzenbach erschossen oder erschlagen. 75 Jahre ist es her, genau geschah
es am 13. Arpil 1945, dass der Zug von 1170 Frauen in zwei Marschblöcken das
KZ Helmbrechts verließ. Der Gewalt der Wachmänner und Bewacherinnen waren
sie vollkommen ausgeliefert. Erst drei Wochen später wurden die überlebenden
Frauen in Volary in Tschechien von amerikanischen Soldaten befreit. In
der Gedenkstätte "Langer Gang" hört man aus den Lautsprechern eine
Frauenstimme, monoton spricht sie die vielen Namen der Häftlingsfrauen.
Dazwischen die Berichte einer der überlebenden Frauen, grausam im Inhalt,
aber gefasst und respektvoll in der Stimme spricht sie von unfassbaren
Vorfällen. Tageslicht und einzelne Sonnenstrahlen fallen in den Raum, der
vor etwa zwanzig Jahren vom Verein gegen das Vergessen e. V. mit Hilfe
einiger Zuschussgeber saniert wurde. Einer der Künstler, die den einzigen
Raum der Gedenkstätte mit ausgestalteten, war Professor Klaus Schröter, mein
Mentor. Seine Bilder sollten als Mahnmal wirken. Und so spürte ich an diesem
emotionsgeladenen Nachmittag die Kälte. Ich danke allen Besucherinnen und
Besuchern für die Begleitung, und dem Verein für den Einsatz gegen das
Vergessen."
Regina Scholz lud abschließend alle Besucherinnen und Besucher ein zur
Gedenkveranstaltung in Helmbrechts am 13. April 2020 um 17 Uhr an der
Friedhofskapelle.
27.01.2020
Pressebericht
Schicksale in Auschwitz
Der 75. Jahrestag der Befreiung des deutschen Konzentrationslagers
Auschwitz mit den 39 Nebenlagern stand im Mittelpunkt des ökumenischen
Gedenkgottesdienstes in der St. Gumbertuskirche in Schwarzenbach/Saale. Die
Soldaten der Roten Armee haben das Lager im strengen Winter 1945 befreit.
"Wir beginnen mit Schweigen". Mit diesen Worten beginnt die Stunde des
Gedenkens am Tag der Opfer des Nationalsozialismus alljährlich. Das
Schweigen zu Beginn des Gottesdienstes drückte die große Betroffenheit über
den industriellen Mord an insgesamt über sechs Millionen Menschen aus, den
die Nationalsozialisten akribisch geplant und durchgeführt haben, und der
möglich wurde durch die Gleichgültigkeit derer, die sich nicht gefährden
wollten. Vier junge Schülerinnen und Schüler der
Geschwister-Schule-Mittelschule in Schwarzenbach/Saale gingen auf das
Schicksal von zwei Frauen und zwei Männern ein, die in Auschwitz inhaftiert
waren. Karel Stojka wurde als elfjähriger Junge von den Nazis verhaftet
und nach Auschwitz gebracht. Er überlebte, sein jüngerer Bruder verhungerte.
Erst 1985 begann Stojka, die Bilder zu malen, die in seinem Gedächntnis
eingegraben waren und seine Erlebnisse dokumentierten. Weltweite
Ausstellungen folgten. Er starb im Jahr 2003 in Wien. Edith Frank, die
Mutter von Margot und Anne Frank, grub sich heimlich unter der Wand der
Krankenbaracke durch, um ihre Töchter mit geklauter Nahrung zu versorgen.
Sie starb am 6. Januar 1945. Walter Rosenberg gelang mit einem Freund
zusammen die Flucht aus Auschwitz, tage- und nächtelang hatten sie sich
unter einem Holzhaufen versteckt. Seine Berichte wurden von der
Öffentlichkeit nicht für möglich gehalten, so grausam beschrieb er seine
Erlebnisse. Nach dem Krieg nannte er sich Rudolf Vrba, er studierte in Prag
und lehrte schließlich als Professor an einer Universität in Kanada. Else
Ury war die Autorin aller Nesthäkchen-Bücher. Weil sie Jüdin war,
verschleppte man sie im Viehwaggon nach Auschwitz. Ihr Leben und Sterben
wird in dem Buch "Nesthäkchen kommt ins KZ" eindrucksvoll beschrieben.
Auch an die Kinder in Auschwitz wurde gedacht. Die fünfte Schülerin hatte
diese schwere Aufgabe übernommen:
"Insgesamt wurden mindestens 232.000 Säuglinge sowie Kinder
und Jugendliche im Alter von ein bis 17 Jahren nach Auschwitz verschleppt.
216.000 waren Juden, 11.000 Sinti und Roma. Viele von ihnen waren
Waisenkinder – denken Sie an den polnischen Arzt Janusz Korczak, der mit den Kindern aus
seinem Kinderheim ins Gas ging. Es sind auch Kinder in Auschwitz geboren
worden. Die Bedingungen waren unvorstellbar grausam. Die älteren Kinderwaren von Eltern und Geschwistern getrennt worden, sie hatten sie
weggehen oder sterben sehen. Sie vertrauten niemandem, waren voller Angst,
sie hörten auf zu sprechen, sie waren vollkommen allein der Willkür
ausgeliefert. Sie waren die Schwächsten im Lager und auf Hilfe durch
Erwachsene angewiesen, die selbst nur schlecht zurecht kamen. Die Kinder
machten sich nach Möglichkeit unsichtbar. Die eintätowierte Häftlingsnummer
ist mitgewachsen. Nur wenige Kinder haben Auschwitz überlebt. Manche der
Kinder, die überlebten, kannten weder ihr Alter noch ihren Namen, sie
sprachen ein Gemisch aus mehreren Sprachen, kannten kein Spiel. Viele
Kinder, vor allem auch Zwillinge, wurden für medizinische Experimente
missbraucht. Die meisten haben Auschwitz nicht überlebt. Wer überlebte, war
fürs Leben gezeichnet."
Pfarrerin Annett Treuner und Pfarrer Dieter Georg Jung begleiteten den
Gottesdienst, der von zahlreichen Gemeindemitgliedern der evangelischen und
der katholischen Kirchengemeinden gestaltet wurde. Das Schwarzenbacher
Klezmer-Ensemble gab einen würdevollen musikalischen Rahmen mit Christine
Pickert-Martschin am Klavier, Gisela Schildbach mit Gesang und Klarinette
und Manfred Martschin mit dem Akkordeon. Die Lieder des Gottesdienstes
begleitete Christine Pickert-Martschin an der Orgel.
Das Bild zeigt einen der vielen
Koffer.
Die
Bilder zeigen - die Gräberreihe mit dem Blumengruß der VVN/BdA
Kreisvereinigung Hof/Wunsiedel; - Nanne Wienands bei der Ansprache.
Pressebericht Gedenken auf dem Friedhof in Schwarzenbach/Saale
Im Anschluss an den ökumenischen Gottesdienst in Schwarzenbach/Saale
am 27. Januar 2020 kamen am Gräberfeld der Opfer des Nationalsozialismus
auf dem Schwarzenbacher Friedhof zahlreiche Besucher zusammen. Hier
haben sechs Frauen des Todesmarsches aus Helmbrechts ihre letzte
Ruhestätte gefunden, aber auch einige Zwangsarbeiter und Bürger aus
Schwarzenbach, die nach ihrer Rückkehr aus einem Konzentrationslager an
den Folgen der Haft starben. Nanne Wienands als Vertreterin der
VVN-BdA Hof/Wunsiedel war anzumerken, dass es die aktuellen Ereignisse
der letzten Tage und Wochen waren, die sie bewegten. "Die mediale
Aufmerksamkeit für den 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz müsste
zwei Wochen andauern. Dann wäre ungefähr die Zeitspanne erreicht, die
die Rote Armee brauchte, um die etwa 6000 Überlebenden des
Konzentrationslager Auschwitz einigermaßen zu versorgen." Wienands
zählte einige Ereignisse auf, die sich in den vergangenen Tagen ereignet
hatten. Dabei nannte sie die Besonderheiten bei der Ansprache von
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der Gedenkstätte Yad Vashem
in Israel genauso wie die Auflösung der rechtsextremen Gruppe "Combat
18" durch Bundesinnenminister Horst Seehofer. Auch die drohende
Rücknahme der Gemeinnützigkeit der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes - Bund der Antifaschisten durch die Finanzbehörden fand eine
Bemerkung - "antifaschistische Arbeit ist in höchstem Maße von Nutzen
für die Allgemeinheit und deshalb ohne Zweifel gemeinnützig", meinte
sie. Sie verwies darauf, dass die Ehrenvorsitzende der VVN-BdA, die
95jährige Überlebende von Auschwitz Esther Bejarano, dazu klar Stellung
genommen habe. Bejarano ist mehrfach für ihr Engagement ausgezeichnet
worden, u. a. mit dem Großen Bundesverdienstkreuz. Ein weiterer
erwähnenswerter Punkt für Wienands war es, auf Abschiebungen aufmerksam
zu machen: "Die Innenminister der Länder sind auch verantwortlich für
die immer noch stattfindenden Abschiebungen nach Afghanistan, für das
Ertrinken von Menschen im Mittelmeer und die schrecklichen
Flüchtlingslager diesseits und jenseits des Mittelmeers. Damit erfüllt
man Forderungen der AfD nach weniger Flüchtlingen; diese wiederum macht
sich das als Erfolg zunutze!" Wienands erwähnte den Gerichtsprozess
in Hof gegen eine Holocaustleugnerin genauso wie die Diskussion im
Bayerischen Landtag über den besseren Schutz von Kommunalpolitikern
gegen rechtsradikale Angriffe. Auch dass in einem Getränkemarkt in
Südthüringen "Reichsbier" erfolgreich zum Kauf angeboten wurde, den
Kasten zu 18,88 Euro und ausgestattet mit eindeutigen Symbolen, gehörte
in diese Rubrik.
"Wenn wir heute hier an die Opfer des Faschismus
denken, sollten wir auch alle diese viel jüngeren Ereignisse nicht aus
den Augen verlieren. Nach 75 Jahren leben wir immer noch nicht
nazifrei," lautete ihr eindringlicher Appell.
Werner Bußler
Auf dem Friedhof in Helmbrechts fand
am Jahrestag der Pogromnacht eine Gedenkstunde statt. Unser Bild zeigt (von
links): Hartmut Hendrich, Regina Scholz, Nanne Wienands, Klaus Rauh, Robert
Geigenmüller, Ramona Kaiser und Alfred Rauh. Foto: Werner Bußler
Helmbrechts- Der 9. November
1938 gehört zu den traurigsten Tagen der deutschen Geschichte. Seinerzeit
mobilisierte Reichspropagandaminister Goebbels Schergen der SA, 191
Synagogen im ganzen Land anzuzünden und weitere 76 jüdische Gotteshäuser zu
demolieren. Die Täter plünderten und zerstörten Geschäfte und Einrichtungen,
die Bürger jüdischen Glaubens gehörten. 20 000 Menschen verschleppten die
Nazis in Konzentrationslager, viele fanden den Tod. Seit auf dem
Helmbrechtser Friedhof ein Mahnmal zur Erinnerung an die Opfer des
KZ-Außenlagers aufgestellt ist, finden hier zweimal jährlich Gedenkstunden
statt - am Jahrestag des Todesmarsches vom 13. April 1945 und am 9.
November, wenn sich die Pogromnacht jährt.
Neues vom Heimatforscher Klaus Rauh
Klaus Rauh aus Helmbrechts hat schon vor Jahren eine
vielbeachtete Facharbeit über das KZ-Außenlager Helmbrechts
verfasst. Diese Dokumentation dient als Basis für ein Buch, das in
den nächsten Wochen erscheinen soll. Dazu hat Klaus Rauh seine
Abhandlung deutlich erweitert, ergänzt und in Archiven recherchiert,
die erst nach der Grenzöffnung zugänglich waren und zu neuen
Erkenntnissen geführt haben. Im Rahmen der Gedenkfeier sagte er:
"Mit diesem Buch sollen nachfolgende Generationen erfahren, was im
Jahr 1945 und vorher geschehen ist. Das sei umso wichtiger, weil es
immer weniger Zeitzeugen gibt.
Mit dabei waren in diesem Jahr zweiter Bürgermeister Robert Geigenmüller,
Pfarrerin Ramona Kaiser sowie Regina Scholz, Nanne Wienands und Helmut
Hendrich vom Verein gegen das Vergessen, den Initiativen gegen
Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit und der Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten. Als Bürger der Stadt,
die lokale Ereignisse für die Nachwelt festgehalten haben, beteiligten sich
Alfred Rauh und Klaus Rauh.
Helmut Hendrich bedauerte, dass heute viele Menschen die Ära des
Nationalsozialismus ausblenden und der Rechtspopulismus zunimmt: "Diesem
Trend gilt es in der Öffentlichkeit etwas entgegenzusetzen." Nanne Wienands
sieht aber Hoffnung für die Zukunft. Es mache Mut zu sehen, wie sich junge
Leute rund um die Anne-Frank-Ausstellung in Selbitz engagiert haben. "Hier
entsteht eine Haltung, die wir nur begrüßen können." Für Robert Geigenmüller
ist es unverständlich, dass manche Bürger die schrecklichen Ereignisse
zwischen 1933 und 1945 vergessen wollen oder bagatellisieren. Die Kirche sei
sich ihrer Verantwortung beim Thema Fremdenhass bewusst, betonte Ramona
Kaiser.
Nanne Wienands teilte noch mit, dass
die rechtsextreme Gruppierung "Der dritte Weg" am 17. November wieder einen
Aufmarsch in Wunsiedel plant. Hier möchte man mit Friedensgebeten und
Gegenveranstaltungen deutlich Flagge für die Demokratie zeigen. "Wer sich
beteiligen möchte, ist eingeladen." Los geht es um 17 Uhr auf dem Wunsiedler
Marktplatz.
Das Frauenkonzentrations- und Außenlager Helmbrechts
Der Todesmarsch von Helmbrechts nach Volary
CZ/Wallern
Es kostet zehn Euro.
Gedenkveranstaltung für die Opferdes Frauenkonzentrationslagers Flossenbürg –
AußenlagerHelmbrechts und des Todesmarsches nach Volary CZ
13.04.2019
Der
Landesverband Bayern der Partei DIE LINKE
vergibt
zum 3 Mal den Klaus Bruno Engelhardt Preis um damit herausragende Leistungen,
im Kampf gegen Antisemitismus, Neonazismus und Rassismus zu würdigen.
Diesjährigen Preisträger waren wir vom "Verein gegen das Vergessen" Übergabe
in den Räumen der Diakonie am Campus.
13.03.2019
Bei der
DGB Frauentagsveranstaltung kamen bei der Sammlung 210€ zusammen. Diese
wurden dem „Verein gegen das Vergessen„ übergeben.
Auf
dem Friedhof in Helmbrechts fand am Jahrestag der Pogromnacht eine
Gedenkstunde statt. Unser Bild zeigt (von links): Hartmut Hendrich, Regina
Scholz, Nanne Wienands, Klaus Rauh, Robert Geigenmüller, Ramona Kaiser und
Alfred Rauh. Foto: Werner Bußler
Helmbrechts-
Der 9. November 1938 gehört zu den traurigsten Tagen der deutschen
Geschichte. Seinerzeit mobilisierte Reichspropagandaminister Goebbels
Schergen der SA, 191 Synagogen im ganzen Land anzuzünden und weitere 76
jüdische Gotteshäuser zu demolieren. Die Täter plünderten und zerstörten
Geschäfte und Einrichtungen, die Bürger jüdischen Glaubens gehörten. 20 000
Menschen verschleppten die Nazis in Konzentrationslager, viele fanden den
Tod. Seit auf dem Helmbrechtser Friedhof ein Mahnmal zur Erinnerung an die
Opfer des KZ-Außenlagers aufgestellt ist, finden hier zweimal jährlich
Gedenkstunden statt - am Jahrestag des Todesmarsches vom 13. April 1945 und
am 9. November, wenn sich die Pogromnacht jährt.
Neues vom Heimatforscher Klaus Rauh
Klaus Rauh aus Helmbrechts hat schon vor
Jahren eine vielbeachtete Facharbeit über das KZ-Außenlager
Helmbrechts verfasst. Diese Dokumentation dient als Basis für ein
Buch, das in den nächsten Wochen erscheinen soll. Dazu hat Klaus
Rauh seine Abhandlung deutlich erweitert, ergänzt und in Archiven
recherchiert, die erst nach der Grenzöffnung zugänglich waren und zu
neuen Erkenntnissen geführt haben. Im Rahmen der Gedenkfeier sagte
er: "Mit diesem Buch sollen nachfolgende Generationen erfahren, was
im Jahr 1945 und vorher geschehen ist. Das sei umso wichtiger, weil
es immer weniger Zeitzeugen gibt.
Mit dabei waren in diesem Jahr zweiter Bürgermeister
Robert Geigenmüller, Pfarrerin Ramona Kaiser sowie Regina Scholz, Nanne
Wienands und Helmut Hendrich vom Verein gegen das Vergessen, den Initiativen
gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit und der Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten. Als Bürger der Stadt,
die lokale Ereignisse für die Nachwelt festgehalten haben, beteiligten sich
Alfred Rauh und Klaus Rauh.
Helmut Hendrich bedauerte, dass heute viele Menschen
die Ära des Nationalsozialismus ausblenden und der Rechtspopulismus zunimmt:
"Diesem Trend gilt es in der Öffentlichkeit etwas entgegenzusetzen." Nanne
Wienands sieht aber Hoffnung für die Zukunft. Es mache Mut zu sehen, wie
sich junge Leute rund um die Anne-Frank-Ausstellung in Selbitz engagiert
haben. "Hier entsteht eine Haltung, die wir nur begrüßen können." Für Robert
Geigenmüller ist es unverständlich, dass manche Bürger die schrecklichen
Ereignisse zwischen 1933 und 1945 vergessen wollen oder bagatellisieren. Die
Kirche sei sich ihrer Verantwortung beim Thema Fremdenhass bewusst, betonte
Ramona Kaiser.
Nanne Wienands teilte noch mit, dass die
rechtsextreme Gruppierung "Der dritte Weg" am 17. November wieder einen
Aufmarsch in Wunsiedel plant. Hier möchte man mit Friedensgebeten und
Gegenveranstaltungen deutlich Flagge für die Demokratie zeigen. "Wer sich
beteiligen möchte, ist eingeladen." Los geht es um 17 Uhr auf dem Wunsiedler
Marktplatz.
in Schwarzenbach im Schulhof der
Geschwister-Scholl-Mittelschule blühen die weißen Rosen.
Dank geht nochmals an alle, die sich an der
Realisierung dieser Idee beteiligt haben.
In Wunsiedel spricht der Überlebende des
Holocausts über seinen Einsatz für Toleranz. Er muss auch nach dem Krieg
noch Verfolgung aushalten.
Ernst Grube überlebte die Judenverfolgung
im Dritten Reich, hatte es aber als Kommunist auch im Nachkriegs-Bayern
nicht leicht. Foto: Rainer Maier
Wunsiedel -
Er hat sein Leben lang gekämpft: Erst ums blanke Überleben als jüdisches
Kind in der Nazi-Zeit, dann um seine kommunistischen Ideale im konservativen
Nachkriegs-Bayern, immer gegen Rassismus und Krieg, gegen Intoleranz und
Militarismus. Ernst Grube hat Rückschläge erlitten, aufgegeben hat er nie.
Im Wunsiedler Mehrgenerationenhaus berichtete der 85-Jährige am
Donnerstagabend aus seinem Leben.
Ein Dokumentarfilm über Grube steht am Anfang der Veranstaltung. Die ersten
Bilder zeigen die Münchner Herzog-Max-Straße, in der sein Elternhaus stand.
Und die Synagoge der Landeshauptstadt. Im Juni 1938 wird sie auf direkten
Befehl von Adolf Hitler abgerissen. Die Juden in der Umgebung bekommen
Räumungsbefehle. Grube hat eine jüdische Mutter. Der Vater, ein
Malermeister, ist kein Jude, aber Kommunist. Die drei Kinder werden in ein
Heim gesteckt. Hier kommt Grube erstmals intensiv mit dem jüdischen Glauben
in Kontakt. Und mit den Repressalien der Nazis gegen diese Volksgruppe. Der
Junge muss den gelben Judenstern tragen.
Nach und nach werden die anderen Kinder abtransportiert - in den Tod, wie
sich später herausstellt. Ernst Grube, sein Bruder Werner und die Schwester
Ruth bleiben zurück. Im Barackenlager des Judenghettos Milbertshofen warten
sie auf ihren Transport. "Das war ein Ort des Terrors, ein Ort der
Verfolgung", sagt Grube. "Es war die brutalste Nazi-Maßnahme in der Stadt
München, sichtbar für alle Einwohner. Doch die Bevölkerung hat mitgemacht."
Im Februar 1945 wird Grubes Mutter mit den drei Kindern ins Ghetto
Theresienstadt deportiert. 154 000 Juden aus ganz Europa werden hierher
gebracht. Als die Rote Armee das Lager am 8. Mai 1945 befreit, sind noch
knapp 17 000 am Leben, darunter die Grubes. Ernst Grube sagt: "Ich werde bis
an mein Lebensende diese Verbundenheit mit der Roten Armee für diese Rettung
der Menschheit im Herzen behalten."
Wie sein Vater, bei dem er Maler lernt, wird der junge Münchner Kommunist.
Er verehrt die Widerstandskämpfer der Stadt, tritt in die Gewerkschaft ein,
engagiert sich politisch, demonstriert gegen die Wiederaufrüstung. Immer
wieder eckt Ernst Grube an, landet nach einer Demonstration wegen
Widerstands gegen die Staatsgewalt für sieben Monate im Gefängnis. Er
arbeitet bei der Friedensbewegung mit, stößt die Idee der Ostermärsche gegen
Militarismus an und erntet erneut eine Gefängnisstrafe: zwölf Monate wegen
Staatsgefährdung.
Neben seinem Malerbetrieb, den er vom Vater übernommen hat, wird er
Fachlehrer an der Berufsschule. Das Abitur hat er in Abendkursen
nachgemacht. 1972 trifft ihn der Radikalenerlass der deutschen
Ministerpräsidenten: Grube, seit 1968 KPD-Mitglied, bekommt ein
Berufsverbot. Doch er lässt sich nicht unterkriegen. Mit bewundernswerter
Kraft engagiert er sich: für ein Denkmal für die Münchner Widerstandskämpfer
gegen den Nationalsozialismus, für den Bau eines NS-Dokumentationszentrums
in der Stadt, für eine internationale Jugendbegegnungsstätte am ehemaligen
Konzentrationslager Dachau. In der Gedenkstättenstiftung Dachau/Flossenbürg
des bayerischen Kultusministeriums sitzt er erst im Kuratorium, wird dann
sogar Vorsitzender.
Während der gesamten Zeit wird Ernst Grube vom bayerischen Verfassungsschutz
beobachtet. Es heißt, er nutze seine Auftritte als Zeitzeuge der
Judenverfolgung nur, "um politisch subversiv zu wirken". Innenminister
Joachim Herrmann würdigt Grubes Verdienste für die Allgemeinheit, schränkt
aber ein: "Der ist Kommunist, deswegen wird er weiter beobachtet."
Ernst Grube ficht das nicht an. Er geht - von vielen bekannten
Persönlichkeiten und Organisationen unterstützt - weiter seinen Weg der
Toleranz, kämpft gegen Rassismus: "Das ist für mich entscheidend.
Antisemitismus ist Rassismus. Aber wenn das Gleiche gegen Moslems passiert,
muss ich es auch anprangern."
Hat er, fragt ein Zuhörer, bei all diesen Rückschlägen im
Nachkriegs-Deutschland nie daran gedacht, auszuwandern? Nein, sagt Grube.
"Ein Aufgeben hat es für mich nicht gegeben." Und: "Ich war immer ein
Befürworter dieses Staates, der sich ein Grundgesetz gegeben hat, in dem
eine Wiederkehr rassistischer Gedanken nicht zugelassen wird." Durch und
durch Demokrat sei er, sagt Grube. Und durch und durch Pazifist.
Nanne Wienands, die die Veranstaltung der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA)
Hof-Wunsiedel moderiert, weist darauf hin, dass, während man hier
Erinnerungsarbeit mache, gleichzeitig anderswo absolutes Unrecht stattfinde.
Menschen würden abgeschoben in Kriegsgebiete. Ernst Grubes Frau Helga, die
ihren Mann nach Wunsiedel begleitet hat, pflichtet Wienands bei: "Was da
passiert, ist schizophren und wahnsinnig."
In Regensburg, wo Helga und Ernst Grube heute leben, engagieren sich die
beiden für Flüchtlinge. Über CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindts
Äußerung von der "Anti-Abschiebe-Industrie" haben sie sich sehr geärgert,
fühlen sich aber andererseits auch bestätigt: "Das zeigt, wie wichtig unsere
Arbeit in dieser Richtung war." Die Grubes rufen in Wunsiedel auf, alle
rechtlichen Möglichkeiten für die Flüchtlinge in Deutschland zu nutzen. Im
Publikum sitzen viele Mitglieder von Helferkreisen im Fichtelgebirge. Alle
nicken.
Ernst Grube sagt, er verknüpfe sein lebenslanges Engagement gegen Krieg und
Aufrüstung jetzt konkret auch mit der Lage der Geflüchteten. Und eine Frau
aus dem Publikum schildert, wie bei ihr beim Ansehen der Bilder von der
Judenverfolgung im Kopf "ein zweiter Film abläuft". Sie sehe die Bilder der
Polizeihundertschaften, die die Abschiebung einer jungen Flüchtlingsfrau mit
ihrem Säugling erzwingen. "Es wird wieder mit Unmenschlichkeiten
gearbeitet", sagt sie.
Eine Feierstunde in Helmbrechts erinnerte an die
Opfer des Todesmarsches nach Volary. Versöhnung und Frieden sind weiter
wichtige Themen.
Das gemeinsam gesungene Lied "Und wieder blüht der
Mandelbaum" stimmten Gerd Koppitz, Reinhard Flessa, Oliver Geipel und Thomas
Berthold (von links) an. Foto: Bußler
Helmbrechts - Am 13. April 1945 wurden vom hiesigen KZ-Außenlager 1175
Mädchen und Frauen jüdischen Glaubens nach Volary getrieben - daran erinnert
jedes Jahr eine Gedenkveranstaltung in der Helmbrechtser Friedhofshalle und
am Mahnmal. Frauen, die aufgrund der Erschöpfung Schwächen zeigten,
erschossen die NS-Schergen auch schon mal kaltblütig. Mit der
Erinnerungsstunde, sagte Pfarrer Thomas Berthold bei der Feier am Freitag,
wolle man ein Zeichen der Versöhnung und Mahnung setzen und ein Signal für
Frieden und Gerechtigkeit geben. Die evangelische Kirchengemeinde, die Stadt
Helmbrechts sowie die Vereine "Gegen das Vergessen", "Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" und die Initiative
gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit richten die Veranstaltung
aus.
Die Ereignisse vor 73 Jahren scheinen aus heutiger
Sicht unfassbar, sagte zweiter Bürgermeister Robert Geigenmüller. Jeder
müsse sich fragen, auf welcher Seite er damals vielleicht selbst gestanden
hätte. Ausblenden dürfe man die Jahre des sogenannten Dritten Reiches
keinesfalls: "Es gibt Leute, die heute nichts mehr von den Gräueln wissen
wollen. Gerade jenen, die es nicht hören wollen, muss man immer wieder
deutlich machen, was damals passiert ist. Das ist unsere heilige Pflicht."
Lichtblicke sind für ihn Menschen, die gegen die Ignoranz arbeiten und sich
gegen bedenkliche und einfache politische Parolen stemmen. Eine weitere
positive Sache sei die gute Beziehung zwischen Volary und Helmbrechts. Er
selbst habe bei einem Besuch in der polnischen Gemeinde eine selten so gut
empfundene Gastfreundschaft erlebt. Er riet: "Schauen Sie sich in Volary die
Gedenkstätte mal an."
Wachsam zu bleiben und die Erinnerung an die schlimme
Zeit des 20. Jahrhunderts nicht enden zu lassen, dazu forderte auch Hartmut
Hendrich aus Hof auf. Die Schwelle für Hass und Ausgrenzung sei wieder
niedriger geworden, Rufe nach Abschottung würden immer lauter. Menschen, die
vor Terror und Willkür geflohen sind, müsse man in einem Rechtsstaat aber
mit Humanität begegnen.
In der Kapelle spielte Gerd Koppitz melancholische
Weisen auf der Violine; Pfarrerin Ramona Kaiser zündete für die Opfer des
Todesmarsches, deren Namen auf einem Banner stehen, Kerzen an. Am
Gedenkstein am Friedhofseingang wurden Kränze niedergelegt. Im Mittelpunkt
stand ein Film, der die Lebensgeschichte von Anne Frank erzählte.
Unterschiedliches Erleben des 13./14.
April 1945
Der frühere Bundespräsident Dr. Roman Herzog hat
diesem Tag eine Bestimmung gegeben: der 27. Januar ist alljährlich der Tag
des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Seit vielen Jahren
findet aus diesem Grund in Schwarzenbach/Saale ein Gottesdienst statt.
Ökumenisch, mit der evangelischen und der katholischen Kirchengemeinde,
unter Mitwirkung des Vereins gegen das Vergessen e. V., der VVN-BdA und der
Initiative gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit. Die
Vorbereitungsgruppe stellte neben den bekannten und beeindruckenden Texten
ein Buch von Ursula Nies in den Mittelpunkt. Die Tochter des früheren
Lehrers und Rektors Wilhelm Pöhlmann und seiner Frau Anna wird in diesem
Jahr 80 Jahre alt. Im Jahr 1945 war sie gerade einmal sieben Jahre alt und
ihre Eltern ermöglichten ihr trotz des Krieges eine behütete Kindheit. Fast
tagebuchartig beschreibt sie ihre Erlebnisse am 13. und 14. April 1945. Die
kindliche Beschreibung mit den Worten von Ursula Nies sprachen
Nathalie Wiener und Lukas Kolb von der
Geschwister-Scholl-Mittelschule. Günter Niepel und Nanne Wienands vom Verein
gegen das Vergessen stellten diese kindgemäßen Beobachtungen, die Ursula
Nies später schriftlich festgehalten hat, den Erlebnissen der fast 1200
Frauen gegenüber, die sich gleichzeitig auf dem Todesmarsch von Helmbrechts
über Schwarzenbach/Saale Richtung Rehau befanden.
Die erschöpften, kranken und hungrigen Frauen mussten wochenlang im Freien
übernachten. Sie hatten und bekamen keinen Schutz, keine warme Kleidung,
keine Schuhe, nichts zu essen, keine Aussicht auf eine Veränderung ihrer
Situation. Sie lebten von einem Moment zum nächsten, der Willkür der
Bewacher ausgesetzt. Sie wussten nicht, was geschehen würde, und wie lange
sie noch leben würden. Sie waren schlaflos; sie hörten die Kriegsgeräusche
und hofften auf die Befreiung. Gegen den Hunger erzählten
sie sich Kochrezepte, und gegen die Sehnsucht erzählten sie sich Geschichten
von früher; von ihren Kindern, ihren Familien, von ihrer Heimat. "Gegen die
Schmerzen gab es keine Worte."
Für die musikalische Umrahmung des Gottesdienstes sorgte
das Klezmer-Ensemble mit Gisela Schildbachs Gesang und Klarinettenspiel,
Manfred Martschin mit dem Akkordeon, Stefan Ganzmüller am Kontrabass und
Christine Pickert-Martschin am Klavier.
Im Anschluss an den Gottesdienst traf man sich auf
dem Friedhof bei den Gräbern der Frauen, die damals in Schwarzenbach/Saale
gestorben waren. Die Gräber befinden sich in einer Reihe mit denen
gestorbener Zwangsarbeitern und Männern, die nach KZ-Haft verstorben sind.
Nanne Wienands wiederholte die Opferzahlen, die die Nazi-Herrschaft
verursacht hatte. Millionen Menschen unterschiedlichen Glaubens,
unterschiedlicher Herkunft und Prägung sind damals ermordet worden,
vorsätzlich und mit grausamen Methoden. Aber sie erinnerte auch an das
Schicksal der Menschen, die heute auf der Flucht sind. Von den weltweit
derzeit 60 Millionen flüchtenden Menschen ausgehend berichtete sie von dem
Einzelschicksal eines jungen Mannes aus Hof, und sie bat um Hilfe "Wir haben
da auch etwas gut zu machen." Ihr Dank galt allen Besuchern, Mitwirkenden,
Ideengebern und Musikern, sowie Pfarrerin Annett Treuner und Pfarrer Dieter
Jung, die beide Veranstaltungen begleitet hatten.
Ein Signal für Frieden und Verständigung: Kränze
erinnern am Mahnmal in Helmbrechts wieder an den Todesmarsch und an die
Pogromnacht 1938.
Helmbrechts - Am Eingang des Helmbrechtser Friedhofs erinnert ein
steinernes Mahnmal an das schrecklichste Kapitel der Stadtgeschichte,
nämlich den Todesmarsch jüdischer Frauen nach Volary, der am 13. April 1945
begonnen hatte. Zweimal im Jahr finden hier Gedenkfeiern statt: am Jahrestag
des Marsches und am 9. November zur Erinnerung an die Pogromnacht im Jahr
1938, als in vielen Städten NS-Schergen Synagogen in Flammen aufgehen ließen
und Geschäfte demolierten, die Bürger jüdischen Glaubens gehörten. 20 000
Menschen verschleppten die Helfer der Nazis in Konzentrationslager, nicht
wenige wurden getötet. Politik, Kirchengemeinde und Gedenkinitiativen
erinnern jährlich mit Kranzniederlegungen an diese Gräueltaten in der
"Reichskristallnacht", wie sie von den Nationalsozialisten genannt wurde.
Die Aufgabe, an die Schreckensherrschaft der Nazis zu
erinnern, werde nie vorbei sein. Es sei geradezu eine Verpflichtung, das
schlimme Geschehen der jungen Generation vor Augen zu führen und deutlich zu
machen, wozu Intoleranz und Menschenverachtung führen können. Darin waren
sich Bürgermeister Stefan Pöhlmann, Pfarrer Thomas Berthold und Regina
Scholz einig. Scholz beteiligte sich als Vertreterin der Initiativen "Gegen
Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit", "Gegen das Vergessen" sowie
namens des "Vereins der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten"
an der kleinen Feier. Ebenfalls anwesend waren Klaus Rauh, der sich als
Erster in einer vielbeachteten Seminararbeit, die er ständig erweitert,
ausführlich mit dem Todesmarsch befasst hat, und sein Vater Alfred Rauh, ein
profunder Kenner der Helmbrechtser Historie.
Alle Teilnehmer betonten unisono, es sei mehr denn je
notwendig, mit deutlichen Signalen für Frieden und Verständigung zu werben.
Regina Scholz machte darauf aufmerksam, dass in einigen Tagen wieder
"Ewiggestrige" in Wunsiedel marschieren wollen; eine Gegendemonstration sei
geplant.
Die Feier in Helmbrechts sollte auch die Botschaft
vermitteln, dass die Mehrheit im Lande keine Vorbehalte gegen ein
friedliches Zusammenleben von Menschen aus verschiedenen Nationen habe und
jegliche ausländerfeindlichen Parolen ablehne. Deshalb würdigten die
Vertreter von Stadt, Kirche und Bürgerinitiativen auch jene Personen, die
sich nach der furchtbaren Naziherrschaft, oft nicht im Licht der großen
Öffentlichkeit, für die Versöhnung zwischen den Völkern engagierten. Als
Beispiel nannte Regina Scholz Walter Schlosser, der sich nach dem Krieg für
Belange der Frauen, die im Helmbrechtser KZ-Außenlager leiden mussten,
eingesetzt hat.
Pressemitteilung
IG Metall Ostoberfranken spendet 1.000 € an Verein
gegen das Vergessen – Langer Gang – Schwarzenbach/SaaleGrößte Beschäftigtenbefragung Deutschlands unterstützt guten Zweck
Von links Manfred
Möckel, Volker Seidel 1. Bevollmächtigter der IG Metall Ostoberfranken,
Günter Niepel 2. Vorsitzender im Verein gegen das Vergessen, Nanne Wienands,
Gabriela Möckel, Randolph Öchslein Mitglied im IG Metall Ortsvorstand.
Manfred Möckel, Nanne
Wienands und Gabriela Möckel sind Mitglieder im Vorstand des Vereines gegen
das Vergessen
(Schwarzenbach, 07.09.2017) – Die IG Metall
Ostoberfranken hat im Rahmen der bundesweiten Beschäftigtenbefragung
"Politik für alle - sicher, gerecht und selbstbestimmt“ 1.000 Euro an den
Verein gegen das Vergessen - Langer Gang - Schwarzenbach/Saalegespendet. Volker Seidel, 1. Bevollmächtigter: „Die Beschäftigten
setzen mit ihrer Teilnahme an der Beschäftigtenbefragung ein Zeichen für
einen arbeitszeitpolitischen Aufbruch und unterstützen zugleich einen guten
Zweck in ihrer Heimatregion.“
Die IG Metall Ostoberfranken habe sich für den
Verein gegen das Vergessen – Langer Gang in Schwarzenbach/Saale entschieden,
da hier Geschichte greifbar gemacht wird. „Nur in einer gerechten
Gesellschaft können alle Menschen sicher und selbstbestimmt leben. Dafür
arbeiten wir als IG Metall und zeigen Solidarität mit jenen, die
Unterstützung brauchen“, sagte Volker Seidel.
Insgesamt haben sich bei der IG Metall
Ostoberfranken rund 3.000 Beschäftige an der Befragung beteiligt. „Wir
möchten mit den 1.000 Euro das vorbildhafte Engagement vom Verein gegen das
Vergessen - Langer Gang - in der Region unterstützen“, betonte Volker
Seidel, 1. Bevollmächtigter der IG Metall vor Ort. Insgesamt spendet die IG
Metall Ostoberfranken 3.000 Euro an drei Projekte in der Region. Weitere je
1.000 € gehen an die offene Jugendhilfe „Die Gunga e.V.“, Helmbrechts und
Kontakt e.V. – Vereinigung für psychosoziale Hilfen in Bayreuth.
681.241 Beschäftigte aus gut 7.000 Betrieben
hatten sich bundesweit an der IG MetallBefragung 2017 „Politik für alle –
sicher, gerecht und selbstbestimmt“ beteiligt. „Unsere Befragung ist ein
voller Erfolg. Wir bedanken uns bei allen, die sich beteiligt und dieses
Mammutprojekt möglich gemacht haben“, sagte Volker Seidel, 1.
Bevollmächtigter. „Die überwältigende Beteiligung zeigt: Die Menschen
vertrauen der IG Metall. Nach ihrem Votum richten wir unsere Arbeit aus:
betrieblich, tariflich und gesellschaftspolitisch.“
Sicherheit und gute Perspektiven in der digitalen
Arbeitswelt, eine neue Arbeitsmarktpolitik, Arbeitszeiten, die zum Leben
passen, und sichere Renten sind für die Beschäftigten laut
Befragungsergebnissen besonders wichtig.
Mehr zur Beschäftigtenbefragung 2017 „Politik für
alle – sicher, gerecht und selbstbestimmt“
Pressebericht Tag des offenen Denkmals in der Gedenkstätte "Langer Gang"
"28
Besucher haben am vergangenen Sonntag die Gedenkstätte "Langer Gang"
besucht," freut sich Günter Niepel, 2. Vorsitzender des Vereins gegen das
Vergessen. Zum Tag des offenen Denkmals war die kleine Gedenkstätte in
Schwarzenbach/Saale den ganzen Nachmittag über geöffnet; die vielen Besucher
waren zwischen sieben und 85 Jahren alt. "Auffallend war, dass einige
Zeitzeugen kamen, die sich an die Frauen aus Helmbrechts noch erinnern
konnten," meint Nanne Wienands. Allen Besuchern gleich ist die
Betroffenheit, die die Geschichte der etwa 1170 Frauen, die das
Konzentrationslager Helmbrechts am 13. April 1945 verlassen mussten, bei
ihnen auslöst. In Helmbrechts mussten die Frauen für die Rüstungsindustrie
arbeiten. Es gab wenig Nahrung, viele drakonische Strafen, keine ärztliche
Hilfe. Ohne winterliche Kleidung, ohne Decken, ohne Schuhe und Nahrung waren
die Frauen drei Wochen lang unterwegs, bis sie im heutigen Volary in
Tschechien von der amerikanischen Armee befreit wurden. Übernachten mussten
sie im Freien. Auch in Schwarzenbach/Saale, der ersten Station nachdem sie
Helmbrechts verlassen hatten, mussten die Frauen die Nacht in dem Garten
neben der Gedenkstätte verbringen. Aber viele der Frauen erlebten die
Befreiung nicht - sie wurden unterwegs umgebracht oder starben an
Erschöpfung. Dass dieser Todesmarsch so gut erforscht ist, verdankt man
frühen Forschungsarbeiten u. a. von dem Helmbrechtser Klaus Rauh. Ein sehr
genaues und detailliertes Dokument ist die Urteilsbegründung des Hofer
Gerichtes zur Verurteilung des Kommandanten Alois Dörr. Einige Überlebende
des Todesmarsches hatten ihn angezeigt. Das Urteil lautete "Lebenslänglich";
aber diese Zeit endete für Dörr nach acht Jahren: er wurde begnadigt - von
einem alten Freund, der in seinem Amt erneut Karriere gemacht hatte.
Es war an diesem Nachmittag möglich,
viele Informationen über diese Art der Erinnerungsarbeit weiterzugeben. Der
1. Vorsitzende des Vereins, Hartmut Hendrich aus Hof, hat neue Schriften
zusammengestellt, die Auskunft geben über das Gebäude und die Kunstwerke in
der Gedenkstätte. Es wurde herausgefunden, dass das Anwesen in
der Denkmalliste des Freistaates Bayern mit folgendem Text eingetragen ist:
Stunde der Erinnerung
an Janusz Korczak
Wer war Janusz Korczak? Diese Frage stellte Nanne Wienands an den Anfang
ihrer Erläuterungen zu diesem außergewöhnlichen Menschen. "Geboren wurde
Janusz Korczak 1878 oder 1879 in Warschau; und vor 75 Jahren ist er in den
Gaskammern von Treblinka ermordet worden. Dazwischen liegt ein sehr bewegtes
Leben," berichtete Wienands, die gemeinsam mit Günter Niepel vom Verein
gegen das Vergessen e. V. für den Abend in Schwarzenbach/Saale
verantwortlich war. Korczak entstammte einer jüdischen Familie, er
studierte Medizin, kam im Jahre 1901 in Kontakt mit Straßenkindern und nahm
Anteil an ihrem Schicksal. Als Feldarzt erlebte er den Russisch-Japanischen
Krieg der Jahre 1904 05. Als Kinderarzt besuchte er reiche Familien, die ihn
gut bezahlten; mit diesem Geld kaufte er Medizin für die Kinder der armen
Leute. Gleichzeitig arbeitete er in einem Kinderkrankenhaus im Warschauer
Armenviertel.
Im Jahre 1911 eröffnete er das jüdische Waisenhaus in Warschau. Janusz
Korczak war Arzt, fühlte sich aber auch als verantwortlicher Pädagoge. Sein
Ziel war es, dass alle Kinder in anständigen Verhältnissen aufwuchsen. Es
gab in seinen Heimen saubere Kleider, ausreichend Essen und ein Bett zum
Schlafen. Das Waisenhaus wurde von den Kindern selber verwaltet. Er schuf
ein Kinderparlament und ein Kameradschaftsgericht, in dem Kinder richten
durften. Man konnte zu verschiedenen „Entschuldigungs-Strafen“ verurteilt
werden. Alle Kinder mussten an der gemeinsamen Arbeit im Waisenhaus
teilnehmen. Die Älteren hatten die Verantwortung für die Jüngeren.
Der Erste Weltkrieg mit all seinen Schrecken, mit seinen Auswirkungen auf
die Zivilbevölkerung und vor allem: mit seinen Auswirkungen auf die Kinder
beeindruckte und bedrückte ihn sehr. Obwohl er wieder als Divisionsarzt
eingesetzt war, ging die Arbeit in den von ihm betreuten Waisenhäusern in
seinem Sinn weiter. Die Waisenhäuser waren voller Kriegs- und Sozialwaisen;
und Korczak kümmerte sich intensiv um die traumatisierten und einsamen
Kinder. Gleichzeitig schrieb er wissenschaftliche Artikel, Kinderbücher und
Romane, er studierte, er reiste, er traf Gleichgesinnte, er führte
Gespräche, er kümmerte sich um Sponsoren, er lehrte als Dozent der
Sonderpädagogik, er arbeitete als Gutachter bei Gericht. Und:
er entwickelte seine ganz eigene Pädagogik; das bedeutet, er überlegte, wie
er den Kinder gerechtwerden
würde, und wie er es ihnen ermöglichen konnte, dass sie ohne elterliche
Geborgenheit selbständig werden können und sich zu demokratisch geübten,
wertorientierten, zuverlässigen, gebildeten und belastbaren Erwachsenen
entwickeln können. Ausgehend von dem Modell einer Kinder-Republik und
orientiert an von ihm postulierten Kinderrechten beteiligte er Kinder an
Entscheidungen, ließ sie planen und mitsprechen, wenn es um ihren Alltag
ging. Janusz Korczak meinte, dass Kinder eigenständige Personen und nicht
nur Anhängsel der Erwachsenen seien. „Kinder werden nicht erst zu Menschen,
sie sind es schon!“ Kindern fehle nur eines: Erfahrung. Deshalb sollen
Erwachsene Kinder an ihren Erfahrung teilnehmen lassen und ihnen den Weg
zeigen.
Korczak gab den Kindern als erster Erwachsener eine Stimme. Bereits 1919
forderte er die Erwachsenen auf, Voraussetzungen zu schaffen, dass Kinder
frei und ohne Gewalt aufwachsen können. Er schrieb das erste Grundrecht für
Kinder. Als Anwalt der Kinder verlangte er vor allen Dingen das Recht auf
Achtung. Erst im Jahre 1989 Jahre wurde sein Traum verwirklicht, als die
UN-Vollversammlung die UN-Konvention über die
Rechte der Kinder verabschiedete.
Kinder haben das Recht auf Achtung.
Das Recht auf liebevolle Zuwendung.
Das Recht auf eigene Erfahrungen.
Das Recht auf ihren Tag.
Das Recht auf seinen eigenen Tod.
Das Recht, an Entscheidungen beteiligt zu werden.
Jedes Kind hat das Recht, so zu sein, wie es ist.
Nachdem die
Nazis in Polen einmarschiert waren, wurden Korczak, seine Helferinnen und
die Kinder gezwungen, das Waisenhaus zu verlassen und in das „Warschauer
Ghetto“ umzusiedeln. Freunde versuchten, ihn zum Fliehen zu überreden, alles
war schon geplant. Es gab einen Pass, ein Visum, Fahrkarten... aber umsonst.
Korczak weigerte sich, seine Kinder zu verlassen. Am Morgen des 5. August
1942 - genau 75 Jahre vor diesem Abend beim "Verein gegen das Vergessen e.
V." hörte man plötzlich laute Schreie im Ghetto „Alle Juden raus!“An der Spitze des traurigen Zuges von 200 Kindern ging Janusz Korczak
mit dem kleinsten Kind auf dem Arm, er ließ die Kinder in dieser Situation
nicht allein. Als sie zum „Umschlagplatz“ kamen, warteten schon die leeren
Waggons, die sie nach Treblinka in die Gaskammer transportierten.
Das deutsche Vernichtungslager Treblinka befand sich etwa 100 km von
Warschau entfernt. Es bestand nur etwa ein Jahr; in dieser Zeit wurden dort
etwa eine Million Menschen ermordet und vergraben bzw. verbrannt. Aus Angst
vor der Roten Armee wurde das Lager ab Mitte des Jahres 1943 abgebaut. Dazu
gehörte auch, dass man die Massengräber wieder öffnete und die bereits
verwesten Leichen verbrennen ließ, um die Greueltaten zu vertuschen. Man
zwang Gefangene, diese schreckliche Arbeit zu verrichten. Als die Rote Armee
im Jahr 1944 tatsächlich zu dem Stück Land kam, das einmal Treblinka war,
gab es niemanden mehr, den man befreien konnte.
Diese geschichtlichen Hintergründe waren Voraussetzung, um die Lesung des
Schauspielers Peter Kampschulte zu verstehen. Er las einfühlsam aus zwei
Büchern die Überlegungen von Korczak selbst: aus "Wie
man ein Kind lieben soll" und "Lieben ohne Illusion". Einige Sequenzen aus
der Korczak-Biografie von Erich Dauzenroth "Ein Leben für Kinder" gaben
preis, wie Korczak von Zeitgenossen wahrgenommen worden war. Den Abschluss
der Lesung bildeten einige Seiten aus Korczaks beeindruckendem Kinderbuch
"König Hänschen der Erste". Die über vierzig Zuhörerinnen und Zuhörer, die
an diesem Abend im Erika-Fuchs-Haus zu Gast waren, dankten mit viel Applaus
für den bewegenden Abend. Barbara Sabarth, die Vorsitzende der
Deutsch-Polnischen Gesellschaft aus Bayreuth, hatte ein polnischen Schulbuch
mitgebracht, das dem Leben von Korzcak gewidmet war. Es fand ebenso wie die
anderen Bücher an diesem Abend noch viel Beachtung.
Abschließend dankten die Veranstalter den Verantwortlichen des
Erika-Fuchs-Hauses für den zur Verfügung gestellten Raum, den Mitarbeitern
des Bundesprogramms "Demokratie Leben!" für die finanzielle Unterstützung
des Abends, Peter Kampschulte für die Lesung und natürlich dem Publikum für
die Teilnahme an dieser "Stunde der Erinnerung".
Das Bild zeigt Peter Kampschulte mit den Büchern.
nanne wienands
Presseberichte
Gedenkgottesdienst in
Schwarzenbach/Saale
Unser ehemaliger Bundespräsident Roman Herzog, er ist kürzlich verstorben,
hat im Jahr 1996 den Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus ins
Leben gerufen. Alljährlich am 27. Januar, dem Tag der Befreiung des
Konzentrationslagers Auschwitz durch die russische Armee, erinnert in
Schwarzenbach/Saale ein ökumenischer Gottesdienst an diese Zeit - 72 Jahre
ist es jetzt her, dass der Zweite Weltkrieg zu Ende ging. Der "Verein gegen
das Vergessen e. V." ist an der Planung und Organisation des Gottesdienstes
beteiligt.
"Wir beginnen mit Schweigen ........" dieses
eindrucksvolle Schweigen griff Pfarrer Wolfram Lehmann in seiner Begrüßung
auf. "Was können wir heute noch tun? Wenig und viel zugleich. Erinnern ist
für die Opfer zu wenig, aber dem Vergessen zu widerstehen ist sehr viel,"
erklärte er. In diesem Jahr trugen die Musiker der Schwarzenbacher
Klezmergruppe wohltuend zur Ausgestaltung des Gottesdienstes bei - Gisela
Schildbach mit der Klarinette und mit Gesang, Christine Pickert am Keyboard,
Manfred Martin mit dem Schifferklavier und Stefan Ganzmüller am Bass. Vier
Schülerinnen und Schüler der Geschwister-Scholl-Mittelschule lasen aus dem
Buch "Mama, was ist Auschwitz?" von Annette Wieviorka. Jasmin Müller,
Tatjana Santos, Therese Scholz und Justin Hübel gaben mit den Texten viele
Impulse zum Nachdenken. Warum eigentlich ist Auschwitz das bekannteste
Konzentrationslager? Es wurden einige 1000 Häftlinge befreit und viele
legten später Zeugnis ab über das erlebte Grauen. Und die Namen Belzec,
Treblinka, Sobibor und Majdanek sind relativ unbekannt - es gab dort nahezu
keine Überlebenden. Das Lied "Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht
und treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt?" spricht
von der Hoffnung und wurde nach dem Segen von Pfr. Joachim Cibura gesungen.
Anschließend gingen einige Gottesdienstbesucher mit zum Gedenken auf den
Friedhof, wo Nanne Wienands als Sprecherin der VVN-BdA Hof/Wunsiedel die
politisch aktuelle Seite dieses Tages ansprach. Sie benannte bewusst an den
Gräbern der Opfer die Notwendigkeit des Gedenkens auf der einen Seite, und
den Umgang mit den geflüchteten Menschen auf der anderen Seite als
eklatanten Widerspruch.
"Viele geflüchtete Menschen, auch
solche, die bereits völlig integriert bei uns leben und arbeiten, werden
gerade abgeschoben," sagte sie. "Junge Frauen werden nach dem
Dublin-Verfahren nach Italien und in andere Länder ausgewiesen – in eine
ungewisse, gefährliche Zukunft. Dadurch wird die Belastbarkeit vieler Flüchtlingshelfer vor allem in Bayern - auf eine harte Probe
gestellt: welchen Sinn haben ihre Anstrengungen?"
Und weiter betonte sie "Weiß
denn Seehofer nicht, dass es in unserem Land Zeiten gab, in denen Menschen
aus unserem Land flüchten mussten und in größter Not waren, wenn sie keine
Papiere und kein aufnahmebereites Ziel hatten? Ist ihm nicht klar, dass er
der rechtspopulistischen AfD im Wahljahr 2017 in die Hände spielt, wenn er
versucht, sie rechts zu überholen? Nur um deren Ansprüchen zu genügen, gibt
es in Deutschland wieder das Wort `Deportation`. Was für eine Schande."
Sie meinte aber
auch, dass sich wieder jeder Einzelne klar machen muss, was er tun kann. "Jede
und jeder von uns sollte sich vornehmen, rassistischen Gedanken und
Äußerungen mit seiner eigenen Meinung zu begegnen. Rassistische Ansichten
dürfen nicht als gesellschaftliche Bestandteile geduldet werden, sie sind
undemokratisch und gefährlich. Genau diese Ansichten waren es, die für die
Opfer, die im Mittelpunkt dieses Gedenktages stehen, zum Verhängnis wurden."
Pressemitteilung
Ökumenischer Gottesdienst in Schwarzenbach/Saale zum Gedenken an die
Opfer des Nationalsozialismus
27. Januar 1945. In Auschwitz befreit die russische Armee das
Konzentrationslager der Nazis. Der Zweite Weltkrieg steht vor seinem Ende,
aber die Kapitulation der Deutschen wird noch bis zum 8. Mai 1945 auf sich
warten lassen. In dieser Zeitspanne und auch nach der Kapitulation verlieren
noch Hunderttausende Menschen Leben und Heimat.
72 Jahre ist das her, und der 27. Januar ist seit dem Jahr 1996 der
Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Alljährlich wird in
Schwarzenbach/Saale in der St. Gumbertuskirche an die Ereignisse erinnert.
In diesem Jahr beginnt der Ökumenische Gottesdienst am Freitag, 27. Januar
2017 um 19 Uhr. Mitwirkende sind in diesem Jahr Schülerinnen und Schüler der
Schwarzenbacher Geschwister-Scholl-Schule, sowie das Klezmer-Ensemble aus
Schwarzenbach/Saale. Veranstalter sind die evangelische und katholische
Kirchengemeinden, der Verein gegen das Vergessen, der in Schwarzenbach die
Gedenkstätte "Langer Gang" betreut, sowie die VVN-BdA; Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten. Die Bevölkerung ist
herzlich eingeladen.
Im Anschluss an den Gottesdienst findet ein kurzes Gedenken auf dem
Schwarzenbacher Friedhof statt.
Frankenpost erschienen: 18.11.2016
Frankenpost erschienen: 16.11.2016
Pressebericht
Das Bild zeigt die Besucher mit Bernd F. Henn beim Blick auf das "Tal des
Todes".
Pressebericht Fahrt nach Flossenbürg
Die Kälte war mindestens so beeindruckend wie die
Ausführungen von Bernd F. Henn, der die Besucher aus Hof und
Schwarzenbach/Saale am vergangenen Samstag über das Gelände des ehemaligen
Konzentrationslagers Flossenbürg führte. Der Verein gegen das Vergessen e.
V., der in Schwarzenbach/Saale die Gedenkstätte "Langer Gang" betreut, hatte
zu dieser Fahrt eingeladen, 2. Vorsitzender Günter Niepel und Nanne Wienands
begleiteten die interessierten Teilnehmer. Die Kälte an diesem Vormittag
erlangte für jeden Einzelnen Bedeutung, als Henn berichtete, dass die
Gefangenen nach der Ankunft im Lager in den Jahren 1938 bis 1945 ohne
Kleidung lange Zeit bei minus 25 Grad Celsius auf dem Appellplatz stehen
mussten. Nach einer desinfizierenden Dusche im Keller der sogenannten
Wäscherei mit einerseits zu heißem und dann wieder eiskaltem Wasser wurden
sie wieder hinausgetrieben in die Kälte. Jede Menschlichkeit ging verloren.
Die Zustände im bald völlig überbelegten Lager waren von Anfang bis Ende
unbeschreiblich chaotisch und unmenschlich, berichtete Bernd. F. Henn.
"Vernichtung durch Arbeit" war das Ziel der Kommandeure; die Gefangenen
mussten im nahegelegenen Granitsteinbruch arbeiten, bei denkbar schlechter
Verpflegung, ohne Schutzvorrichtungen, ohne medizinische Versorgung, ohne
Werkzeuge. Die Grausamkeiten der eingesetzten "Kapos" war sprichwörtlich.
Und es kamen immer neue Gefangene ins Lager Flossenbürg, dessen Errichtung
von den Nazis gezielt geplant worden war. Geschickt hatte man die
Bevölkerung des Ortes von den Vorteilen eines Lagers überzeugt. Die Randlage
und die Granitsteinbrüche bedeuteten für die SS leichtes Spiel: der
Bevölkerung versprachen sie Arbeitsplätze, und in dieser abgelegenen Gegend
befürchteten sie keinerlei Proteste. Flossenbürg wurde zum
Verwaltungsstandort für eine Vielzahl von Außenlagern. Im Jahr 1943
wurden die Aufgaben für die Zwangsarbeiter und Häftlinge geändert: die
Rüstungsindustrie wurde gestärkt. In Flossenbürg baute die Firma
Messerschmidt eine Fertigungshalle für Kampfflugzeuge; mehr als 5000
Menschen arbeiteten gegen Kriegsende dort. Bis zur Befreiung durch die
Amerikaner im April 1945 kamen in Flossenbürg mindestens 30.000 Menschen ums
Leben. Anfangs wurden die Toten mit LKW`s in das Krematorium nach Selb
transportiert. Als es immer mehr wurden, baute man eine eigene
Verbrennungsstätte. Als der Einmarsch der Amerikaner bevorstand,
schickte die Lagerleitung die Häftlinge zu Fuß und in offenen Viehwaggons
Richtung Süden, nach Dachau und Österreich. Diese "Todesmärsche" dienten
offenbar dazu, die Menge der Gefangenen zu dezimieren. Die Überlebenden
berichteten, dass es an jeden Tag im Lager und auf den Todesmärschen um das
nackte Überleben ging. Da diese Transporte und Märsche von allen Lagern
weggetrieben wurden, kamen in Flossenbürg auch nach der Kapitulation der
Deutschen immer wieder Gruppen aus nördlich und östlich liegenden Lagern an.
Nach 1945 wurde das Lager weitergenutzt, z. B. für russische und polnische
ehemalige Kriegsgefangene, die nicht mehr nach Hause zurückkehren konnten;
weil sie dort für ihre vermeintliche Arbeit für die Deutschen bedroht
wurden. Überlebende der Todesmärsche kamen hier notdürftig unter, aber auch
für Vertriebene aus der damaligen Tschechoslowakei bot sich hier Unterkunft,
wenn auch für alle unter verheerenden Umständen. Von diesen ersten Bewohnern
im Frieden wurde die erste Kapelle auf dem KZ-Gelände gebaut zur Erinnerung
an das viele Leid und die vielen Opfer. Große Teile des Geländes wurden
überbaut, nur ein kleiner Teil wurde bereits 1946 zur KZ-Gedenkstätte
erklärt. Viele Opfer aus ganz Bayern wurden umgebettet, so dass Flossenbürg
heute als ein großer Friedhof verstanden werden muss. Erst Jahrzehnte
nach der Befreiung wurde die Erinnerungskultur weiterentwickelt. Man spricht
von einem europäischen Erinnerungsort, weil hier Menschen aus ganz Europa
gefangen gehalten und gequält worden waren. Mit Dr. Jörg Skriebleit hat die
Gedenkstätte einen Leiter, der mit viel Respekt und Einfühlungsvermögen,
Sachverstand und Engagement diesen dunklen Punkt deutscher Geschichte mit
Leben füllt. Für die interessanten Ausstellungen und die aufklärenden
Filmbeiträge ist er mit seinen Mitarbeitern bereits ausgezeichnet worden.
Die Fahrt nach Flossenbürg wurde möglich durch die finanzielle
Unterstützung des Bundesprogramms "Demokratie leben!".
Das
Bild zeigt die Besucher mit Bernd F. Henn beim Blick auf das "Tal des
Todes".
Die 91-jährige Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano
spricht in Hof über ihr Leben. Mit der Mikrophone Mafia singt sie
mehrsprachig gegen das Vergessen an.
Von Christine Wild
Esther Bejarano und ihr
Sohn Joram am E-Bass mit der Kölner Mikrophone Mafia auf
der Bühne des Hauses der Jugend in Hof. Foto: Jochen Bake
Hof- Ganz ruhig,
mit friedlich-ausgeglichenem Gesichtsausdruck betritt Esther
Bejarano am Freitag die Bühne im Hofer Haus der Jugend, die bis
zuvor Lena Kropp mit drei so witzig-unterhaltsamen wie tiefgründigen
Poetry-Slam-Texten ausgefüllt hat. Bejarano nimmt Platz am
Lesetisch, setzt ihre Brille auf und beginnt schnörkellos, ohne
jegliches Vorgeplänkel mit ihrer Lesung.
Dabei kommt sie
bereits mit dem ersten Wort auf den Kern ihrer schlimmen Geschichte
zu sprechen: "Auschwitz." Schon ist die 91-Jährige mittendrin in
ihrer Geschichte; der Geschichte einer starken Frau, die das
Vernichtungslager überlebt hat: Einer Frau, die mit 91 Jahren einen
mit Menschen verschiedenster Nationalitäten, Altersgruppen,
Religionen und sozialer Schichten vollgestopften Saal derart zu
fesseln vermag, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. Eine
Frau, die trotz allem kein bisschen verbittert wirkt, sondern voll
Idealismus und Lebensfreude gegen Krieg, Fremdenfeindlichkeit und
Verdrängung kämpft.
Am 20. April
1943 wurde sie nach Auschwitz deportiert. Von "der berühmten Rampe"
erzählt sie, von Untersuchungen durch den berüchtigten Arzt Dr.
Josef Mengele und von der Nummer 41 948, die ihr auf den linken Arm
tätowiert wurde. "Namen wurden abgeschafft, wir waren nur noch
Nummern." Als das Mädchenorchester im KZ Auschwitz entsteht, meldet
sie sich als Akkordeonspielerin. "Ich hatte nie zuvor ein Akkordeon
in der Hand. Ich musste alles versuchen, um nicht mehr Steine
schleppen zu müssen. Die Leiterin befahl mir, den deutschen Schlager
,Du hast Glück bei den Frauen, Bel Ami' zu spielen. Ich kannte
diesen Schlager, bat sie um ein paar Minuten Geduld, um mich wieder
einzuspielen. Es war wie ein Wunder. Ich spielte den Schlager sogar
mit Akkordbegleitung und wurde gemeinsam mit zwei Freundinnen in das
Orchester aufgenommen."
Das Orchester
muss zum täglichen Marsch der Arbeitskolonnen durch das Lagertor
spielen. "Aber es kam noch schlimmer. Die SS befahl uns, am Tor zu
stehen und zu spielen, wenn neue Transporte ankamen in Zügen, in
denen unzählige jüdische Menschen aus allen Teilen Europas saßen;
sie fuhren auf jenen Gleisen, die bis zu den Gaskammern verlegt
wurden, und sie wurden alle vergast. Mit Tränen in den Augen
spielten wir. Wir hätten uns nicht dagegen wehren können, denn
hinter uns standen die SS-Schergen mit ihren Gewehren. Es war eine
schreckliche psychische Belastung."
Aufgrund ihrer
halb-arischen Abstammung wird sie später ins KZ Ravensbrück verlegt.
"Ich sah es geradezu als meine Pflicht an, rauszukommen, damit ich
später den Menschen erklären konnte, was uns angetan wurde",
erinnert sich Esther Bejarano. Auf einem der Todesmärsche von
KZ-Häftlinge kann sie Ende April 1945 zusammen mit sechs Freundinnen
fliehen und erlebt am 3. Mai 1945 die Befreiung in Lübz, wo -
umrahmt von ihrem Akkordeon-Spiel - ein Hitler-Bild auf dem
Marktplatz verbrannt wird. "Dieses Bild werde ich nie vergessen. Das
war meine Befreiung vom Hitler-Faschismus. Und es war nicht nur
meine Befreiung - es war meine zweite Geburt!", schließt die
91jährige.
Doch nach den 40
Lesungsminuten verlässt sie nicht etwa die Bühne, sondern holt ihren
Sohn Joram am E-Bass sowie deutsch-türkisch-italienische Microphone
Mafia auf die Bühne. Mit coolem Groove rappen die Kölner Musiker
sofort los, begehren auf gegen Rechtsextremismus, Krieg und
Fremdenfeindlichkeit. In den Refrains stimmt Ester Bejarano mit ein,
mal auf Hebräisch oder Jiddisch, mal auf Türkisch, Neapolitanisch
oder Französisch. Sie verbindet den Rap mit wunderschönen,
traditionellen Melodien und der Forderung nach Freiheit, Wahrheit
und Frieden - und sorgt im Publikum nicht nur für jubelnde
Begeisterung, sondern auch für Gänsehaut: Sie treibt den Zuhörern
über zwei Stunden lang immer wieder Tränen in die Augen.
Es war eine schreckliche psychische
Belastung.
Esther
Bejarano über ihr Mitwirken im Mädchenorchester des KZ
Auschwitz
Die Bilder zeigen - die Literatur zum Thema, Autor Dr. Norbert Aas
-
Dr. Aas bei seinem Vortrag in Schwarzenbach/Saale
Ein freundlicher älterer Herr
hält einen Vortrag und entschuldigt sich ein ums andere Mal für seine "zu
alltäglichen" Ausdrücke. Zu salopp, zu alltagssprachlich muss man umgehen
mit den Begriffen rund um das Thema "Euthanasie im Dritten Reich", sonst
erträgt man die Schwere der Fakten nicht. Die über zwanzig Zuhörer schweigen
und verstehen, tief betroffen von den menschlichen Abgründen, die sich
auftun, wenn man den Ausführungen des Bayreuther Historikers Dr. Norbert Aas
folgt. "Kaum zu ertragen," lautete das Fazit am Ende der Diskussion.
Der Verein gegen das Vergessen e. V. hatte ihn zu diesem Vortrag eingeladen,
um daran zu erinnern, dass die Gedenkstätte "Langer Gang" in
Schwarzenbach/Saale seit elf Jahren besteht. Wie vielfältig die
Erinnerungsarbeit ist, wird damit ein weiteres Mal überdeutlich.
"Euthanasie", so betont der Referent eingangs, "heißt eigentlich `guter
Tod`." Historisch gesehen kam die Absicht, unwertes Leben zu vernichten aus
der Tatsache, dass viele starke und gute Menschen auf den Schlachtfeldern
des Ersten Weltkrieges geblieben waren. Die neuen Machthaber wollten wieder
ein "gesundes" Volk, und man wollte es züchten. Dazu kam die Kostenrechnung,
die besagte, dass die Volksgemeinschaft für Betreuung und Pflege von
Menschen mit Behinderungen viel - zuviel - Geld aufbringen musste. Leicht zu
durchschauen, dass das Nazi-Regime dieses Geld lieber für
Kriegsvorbereitungen ausgeben wollte. Sogar in Schulbüchern und Ratgebern
für Mütter wurde darauf hingewiesen, und so wurde das ganze Volk eingestimmt
auf ein fürchterliches und perfekt organisiertes Verbrechen. Mit einem
hinterhältig geschickt formulierten Hinweis gab Hitler den Auftrag zu einem
möglichen "Gnadentod" an die Verwaltung und die Ärzte weiter.
Aus
ganz Deutschland und Österreich, aus den Konzentrationslagern und direkt aus
den Dörfern und Städten wurden daraufhin Menschen mit körperlichen,
geistigen und psychischen Problemen erfasst und "euthanasiert". Unauffällig
gelegene Gebäude wurden zu diesen Zwecken umgebaut, Gaskammern und
Krematorien wurden geschaffen. Rasch gingen die Nazis daran,
durchorganisiert und mit klaren Absichten sogenanntes "unwertes Leben" zu
vernichten, und die Leichen zu verbrennen. Dazu gehörte auch die geplante
Irreführung der Angehörigen über Verlegungen zur "besseren Betreuung", über
die Todesursache und den Zeitpunkt des Todes. Es wurden fiktive Standesämter
erfunden und Trostbriefe an die Eltern und Geschwister geschrieben.
Als das Treiben der Öffentlichkeit auffiel und die Gerüchte nicht mehr zu
überhören waren, wurde die aktive Euthanasie "verboten". Man ging dazu über,
die Menschen direkt in den Einrichtungen, in denen sie betreut worden waren,
verhungern zu lassen, sie mit Überdosen von Medikamenten totzuspritzen oder
ihre akuten Erkrankungen nicht zu behandeln. Dass man diejenigen, deren
Arbeitskraft noch benötigt wurde, zwangsweise sterilisierte, ist ein
weiterer Auswuchs der Eugenik.
Dr. Norbert Aas durchforschte u. a.
das Archiv der Heil- und Pflegeanstalt in Bayreuth. Er greift in seinem
Vortrag einige berührende Einzelschicksale heraus. Zehn Jahre lang ging er
den Namen von Menschen nach, die in Schloß Hartheim bei Linz umgebracht
worden waren. Akribisch sind Listen geführt worden, nicht alle wurden
vernichtet. Auch in Hartheim hat die Erinnerungsarbeit - wie überall - erst
Jahrzehnte nach dem verbrecherischen Unrecht begonnen. Und immer noch stößt
der Historiker auf neue Fakten. Ein Teil der Menschen, an die in den
Gedenkstätten erinnert wird, hatten ihre Heimat in Oberfranken. Sie wurden
in den Heil- und Pflegeanstalten Kutzenberg, Bayreuth, Ansbach, Himmelkron
oder Neuendettelsau betreut. Die mörderische Aktion, kurz "T 4" genannt, -
in Berlin, Tiergartenstr. 4 befand sich die Verwaltung - machte nicht vor
kleinen Kindern Halt, nicht vor Greisen, nicht vor Künstlerinnen und
Künstlern, auch nicht vor ehemaligen Soldaten, die psychisch oder körperlich
behindert aus dem Krieg heimgekommen waren. Schloss Hartheim, Haus
Sonnenstein bei Pirna, Hadamar, Bernburg und Grafeneck sind heute
Gedenkstätten. Geschätzt siebzigtausend Menschen wurden hier umgebracht,
jung und alt. Die meisten Täter und Helfer kamen ungestraft davon, einige
wenige setzten ihrem Leben selbst ein Ende. Die Menschen, die zum
Beispiel in dem Dorf Hartheim Widerstand leisteten und mit Handzetteln
Aufklärung forderten, waren dagegen rasch denunziert, angeklagt und
hingerichtet worden.
Das Bild zeigt Günter Niepel bei der kurzen Ansprache vor der Gedenkstätte
"Langer Gang" in Schwarzenbach/Saale.
Pressebericht Nanne Wienands,
70 Jahre ist es her, dass 1170 Frauen und Mädchen aus dem KZ Helmbrechts
kommend durch unsere Stadt zogen. Bei eisigen Temperaturen mussten sie in zwei
Gärten übernachten. Am nächsten Morgen, am 14. April 1945 waren sechs von
ihnen nicht mehr am Leben.
"Umkehr" hieß daher eine Aktion, die in der katholischen St. Franziskuskirche
mit einer Andacht von Pfr. Joachim Cibura ihren Anfang nahm. Etwa 60
Schwarzenbacher Bürgerinnen und Bürger beteiligten sich daran. Man ging
schweigend den Weg zurück, den die Frauen damals gekommen waren, von der
Gedenkstätte "Langer Gang" in der Bahnhofstraße bis zur Förbauer Kirche, in
der Pfr. Daniel Lunk abschließend die Folgen des grausamen Tuns und die
vielfach unterlassene Hilfe mit Bibelworten belegte und dazu aufrief, es nicht
mehr zu solchem Unrecht kommen zu lassen.
Die über 1000 Frauen, die sicher nicht unbemerkt durch unsere Stadt gezogen
waren, hatten noch einen weiten Weg vor sich. Bis Volary im heutigen
Tschechien ging der Todesmarsch; es ist anzunehmen, dass die Vernichtung des
Lebens erstes Ziel dieses Marsches war. Während des Marsches starben Hunderte
der Frauen, viele wurden erschossen. Auch nach der Befreiung durch die
US-Soldaten Anfang Mai 1945 starben noch 95 Frauen an Entkräftung und
Krankheiten. Sie sind in Volary begraben. "Diese Ereignisse werden unsere
Städte auf immer verbinden," meinte Günter Niepel, Schwarzenbacher Stadtrat
und 2. Vorsitzender des Vereins gegen das Vergessen vor der Gedenkstätte
"Langer Gang", bei dem Blumen zum Gedenken an die geschundenen Frauen standen.
Frankenpost
erschienen 16.04.2015
Schicksale, die verbinden
Nach dem Todesmarsch 1945 nach Volary war Walter Schlosser
aus Helmbrechts ein Architekt der Versöhnung. Und auch
Alt-Bürgermeister Manfred Mutterer hat
Pressebericht
Ökumenischer Gottesdienst zum Tag der Opfer des Nationalsozialismus
Dieselben
Worte, dieselben Lieder. Für das Gottesdienstteam ist längst zum Ritual
geworden, was die Besucher wohltuend empfinden - es tut gut. Es tut gut, sich
miteinander an diesem Tag, dem 27. Januar 2015, dem Gedenktag für die Opfer
des Faschismus, dem diesmal 70. Jahrestag der Befreiung des
Konzentrationslager Auschwitz durch Soldaten der Roten Armee, mit dem
Geschehenen auseinanderzusetzen.
2006 hat
dieser Gottesdienst erstmals stattgefunden. Zum zehnten Mal ertönte vergangene
Woche zum Abschluss das Lied vom wiedererblühten Mandelzweig. Der
Organisatonskreis, bestehend aus evangelischen und katholischen
Gemeindemitgliedern, Pfr. Daniel Lunk und Pfr. Joachim Cibura, Vertretern des
Vereins gegen das Vergessen und der VVN-BdA Hof-Wunsiedel findet aber auch
seit zehn Jahren immer wieder einen neuen Impuls für diese Stunde.
Nach Lesung und Liturgie konnten die Besucher des Gottesdienstes diesmal einer
Fachfrau lauschen, die die sachliche Seite eines Traumas beschrieb. Schwester
Edith Schmidt von der Christusbruderschaft Selbitz ist Diplom-Psychologin.
"Ein Trauma bedeutet das Erleben einer Extremsituation, die alle bisherigen
Bewältigungsmöglichkeiten eines Menschen übersteigt. Sein Vertrauen ins Leben
und in andere Menschen wird grundlegend erschüttert“, erläuterte sie. Das kann
ein Unfall sein, ein Schicksalsschlag oder - und das kennzeichnete sie als
besonders belastend und schwerwiegend - die Erfahrung von körperlicher Gewalt
oder gezielter Entwürdigung durch andere Menschen, etwa eine Gefangennahme
oder Folter. Bestimmte Reaktionsmöglichkeiten werden häufig beobachtet: das
Wiedererleben der traumatischen Ereignisse, verursacht etwa durch eine
bestimmte Situation, ein Wort, einen Geruch; die Vermeidung bestimmter
Situationen - man geht z. B. nicht mehr in einen Keller, die Unfähigkeit, von
dem Erlebten zu sprechen, und als weitere Reaktion die Übererregbarkeit im
Sinne von z. B. Schlaflosigkeit, Gefühlsausbrüchen, vordergründig
unbegründbaren Affekten. Schwester Edith brachte diese theoretische
Beschreibung in Zusammenhang mit den Opfern in den Konzentrationslagern, aber
auch mit den heute in Deutschland ankommenden Flüchtlingen. "Die sogenannte
posttraumatische Belastungsstörung als Folge der erlebten Traumata kollidiert
dann hier mit den Anforderungen des Asylverfahrens," erklärte sie, "denn die
Flüchtlinge sind verpflichtet, alle Informationen, die zu ihrem Asylantrag
gehören, umfassend und detailliert einer fremden Person zu berichten, oft noch
mit einem Übersetzer, von dem man nicht weiß, ob er genau übersetzt, was man
ausdrücken will." Konkrete Beispiele veranschaulichen ihre Ausführungen.
Im Anschluss an den Gottesdienst beteiligten sich viele Besucher an dem
Fackelzug durch den Friedhof zu den Gräbern der Opfer aus dem Jahr 1945. Nanne
Wienands, Vorsitzende der VVN-BdA Hof-Wunsiedel, berichtete vom Einsatz der
Schwarzenbacher Stadträte vor 50 Jahren, die erreicht hätten, dass diese Toten
nicht nach Flossenbürg umgebettet wurden wie über 5000 andere aus ganz Bayern.
"Die Stadträte wollten diese
Gräber als Gedenkstätte zur Bewusstseinbildung für die Bevölkerung behalten,
und wir sind heute dankbar dafür."
Wienands wies auf das neu erschienene Buch von Dr. Hans Brenner hin
"Todesmärsche und Todestransporte", in dem auch der Schwarzenbacher
Todesmarsch erwähnt sei. Dieses Buch mache deutlich, wie viele Menschen am
Ende des Krieges noch kreuz und quer durch ganz Europa getrieben wurden. Die
Fußmärsche und die Transporte bedeuteten für viele Menschen das Todesurteil.
Dass es auch anders hätte gehen können, habe im November 2014 der Historiker
Ulrich Fritz bei einem Vortrag in Schwarzenbach berichtet. "In Mehltheuer bei
Plauen übergab Lagerkommandant Fischer am 16. April 1945 die Häftlinge an die
befreienden amerikanischen Truppen, alle Frauen überlebten die letzten
Kriegstage. Genauso wie die Frauen in Helmbrechts hatten sie für die Rüstung
arbeiten müssen. Mögen sie alle nicht vergessen werden."
Zehn Jahre Gedenkstätte "Langer Gang"
in Schwarzenbach/Saale
Mit einer vielseitigen Veranstaltungsreihe stellt der "Verein gegen das
Vergessen" das zehnjährige Bestehen der Gedenkstätte "Langer Gang" in
Schwarzenbach/Saale in den Mittelpunkt.
Frankenpost
erschienen: 21.11.2014
Auch die Kunst starb im KZ
Der "Lange Gang" feiert sein zehnjähriges Bestehen. Dabei
geht es einen Abend lang um das,
was mit den Menschen unter den Nazis starb: die
Kultur.
Schwarzenbach an der
Saale- "Die
Nazis haben mehr ausgelöscht als Leben." Dieser Satz beschreibt die zentrale
Aussage des Abends, zu dem der Verein gegen das Vergessen die Schauspielerin
und Diseuse Gerti Baumgärtel aus Gattendorf engagiert hatte. Es galt, das
zehnjährige Bestehen der Gedenkstätte "Langer Gang" hervorzuheben, und der
Abend war das musikalische Glanzstück der Veranstaltungsreihe, die der Verein
auf die Beine gestellt hatte.
Gerti Baumgärtel erläuterte die Gedichte und Lieder und ging im richtigen
Maß auf die geschichtlichen Begebenheiten und die individuellen und
menschlichen Reaktionen darauf ein. "Das Ausland reagierte oft mit Unverstand
und Desinteresse", sagte sie, und "der Humor diente als Mittel, um
Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit zu überstehen". Baumgärtel zwingt ihr
Publikum zur Differenzierung zwischen Durchhaltekabarett und
Resignationsbewältigung. Sie singt wie Zarah Leander und Lale Andersen, die
beide zur "Unterstützung der Truppen" von den Nazis engagiert wurden, und
eindeutig zweideutige Texte sangen. Sie spricht wie Dietrich Bonhoeffer; er
fragte schon 1941: "Sind wir noch brauchbar? Durch Konflikte sind wir mürbe
oder zynisch geworden" und Leo Straus: "Ich kenn ein kleines Städtchen, ein
Städtchen ganz tiptop, Ich nenn es nicht beim Namen, Ich nenn's die Stadt
Als-ob". Bonhoeffer wurde am 9. April 1945 in Flossenbürg stranguliert, Straus
wurde 1944 von Theresienstadt nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Für
die Ohren der Nachkriegsgeneration gibt es viele bekannte Melodien, manchmal
hört man nicht nur die hervorragend einfühlsame Klavierbegleitung von Martin
Greim, sondern auch das Summen des Publikums.
Anekdoten am laufenden Band gibt es, und bei fast allen bleibt einem das
Lachen im Halse stecken, macht man sich klar, in welche gefährliche Lage sich
die Künstler brachten - etwa der berühmte Weiß Ferdl, der 1938 bei einer
geschlossenen Veranstaltung der NSDAP über das Schicksal der Juden sprach.
Das Gesagte wurde so verklausuliert, dass die Machthaber gar nicht
verstanden, was der Künstler zum Ausdruck brachte. So war der Kommandant von
Auschwitz, Rudolf Höß, sehr angetan von einem Marsch, der sich heute
erschreckend eindeutig anhört. Von Wien aus wurde Hermann Leopoldi nach
Dachau, Buchenwald und Auschwitz verschleppt und hat nie aufgehört zu
komponieren. Flüsterwitze machten die Runde "Paul: Was gibt es für neue Witze?
Emil: Sechs Monate Dachau."
Zahllose Namen wurden genannt an diesem Abend. Fritz Grünbaum, Erich
Kálmán, Ilse Weber, Wolfgang Borchert (weil er Goebbels parodiert hatte, saß
er in Moabit ein), Bobby John, Karel Svenk, Erich Kästner, Hans Albers, Werner
Finck, Oskar Paulig, Erich Weinert, Walter Lindenbaum, Ludwig Hift, Walter
Steiner, Maria Thomaschke, Rudolf Skutajan - es nahm kein Ende.
"Die Nazis haben mehr ausgelöscht als Leben", Kultur, Bildung, das Theater,
die Dichtung, die Musik - alles zerbrach unter dem Hass der Nazis. Gerti
Baumgärtel brachte viel in Bewegung an diesem Abend. Ihr nachdenklich
gewordenes Publikum dankte ihr und dem einfühlsam spielenden Pianisten Martin
Greim mit viel Applaus.
Humor diente als Mittel, um Verzweiflung und
Hoffnungslosigkeit zu überstehen.
Gerti Baumgärtel
Frankenpost
erschienen: 19.11.2014
Erinnerung an die Todesmärsche
Am Kriegsende 1945 trieben Aufseherinnen wehr- und schutzlose Frauen von
Helmbrechts nach Böhmen. Die Gedenkstätte
Langer Gang erinnert an deren Leiden und Sterben.
Schwarzenbach an der
Saale- Ein
schwieriges Thema hatten sich Referent und Publikum bei der vorletzten
Veranstaltung des Vereins gegen das Vergessen vorgenommen: Beim zehnten
Jubiläum der Gedenkstätte "Langer Gang" in Schwarzenbach an der Saale ging
es um die Todesmärsche im Frühjahr 1945, speziell um den Marsch von
Helmbrechts Richtung Böhmen. Konzentrationslager wurden aufgelöst, die
russischen und amerikanischen Soldaten sollten nichts mehr finden.
Die
Stiftung Bayerische Gedenkstätten, verantwortlich für Dachau und
Flossenbürg, bearbeitet auch das Projekt "KZ-Außenlager in Bayern". Damit
befasst sich der Historiker Ulrich Fritz. Er hatte einprägsame Fotos
mitgebracht, die sowohl einen Überblick über die Lager und Nebenlager
gaben als auch Details hervorhoben.
Das Konzentrationslager Flossenbürg hatte 80 bis 90 Außenlager.
Außenlager wurden eingerichtet, weil kriegswichtige Betriebe Arbeiter
brauchten. Dazu zählten auch Porzellan- und Textilfabriken und
Mineralwasser-Abfüllanlagen, später hauptsächlich Rüstungsbetriebe.
Helmbrechts war ein spät eingerichtetes Lager, und die Verhältnisse müssen
schrecklich gewesen sein, wie der Historiker berichtete. Auch deswegen kam
es zu einigen Fluchtversuchen.
"Die Versorgung war eine Katastrophe, und für die geringsten Vergehen
gab es drakonische Strafen für die Frauen", erklärte Ulrich Fritz. Im
Zweischichtbetrieb mussten die Frauen jeweils zwölf Stunden arbeiten. Vier
Mal täglich marschierten Häftlingskolonnen durch Helmbrechts. Den
Häftlingsnummernbücher kann man entnehmen, dass viele Frauen innerhalb
kurzer Zeit starben, vor allem als 600 Jüdinnen nach Helmbrechts kamen,
die bereits einen Todesmarsch überlebt hatten. Am 13. April 1945 begann
der Kommandant Alois Dörr mit der Räumung des Lagers Helmbrechts. Die
Amerikaner standen nur 50 Kilometer entfernt. Am ersten Tag des Marsches
wurden zehn Frauen ermordet, sechs überlebten die kalte Nacht in
Schwarzenbach an der Saale nicht. Drei Wochen waren die Frauen unterwegs,
bis sie in Volary im heutigen Tschechien von den Amerikanern befreit
wurden. Zahlreiche sind auf dem Marsch umgekommen, noch nach der Befreiung
starben viele an Entkräftung.
Auf 493 Friedhöfen
Dass dieser Todesmarsch so gut dokumentiert ist, liegt an dem Prozess
gegen den Lagerkommandanten Dörr. Der damalige Helmbrechtser Schüler Klaus
Rauh hat das Geschehen Anfang der 1980-Jahren in einer Facharbeit
dokumentiert. Hilfreich bei der Rekonstruktion der Ereignisse waren die
Fragebögen des Internationalen Suchdienstes mit dem Archiv in Bad Arolsen.
Auf der Grundlage dieser Erhebungen wurden auch die zahllosen Anfragen von
Angehörigen bearbeitet, die auf der Suche nach den inhaftierten Opfern
waren. Um die Dimension dieser Aufgabe zu begreifen, nannte Ulrich Fritz
eine erschütternde Zahl: Allein aus dem KZ Buchenwald bei Weimar waren 48
000 Häftlinge auf Todesmärsche geschickt worden. Etwa die Hälfte von ihnen
kam zu Tode. Bis Ende der 1950er-Jahre gab es in Bayern 493 KZ- und
Fremdarbeiter-Friedhöfe mit den Gräbern zahlloser Opfer.
In Schwarzenbach an der Saale gab es zwölf Gräber mit KZ-Opfern und
eine Reihe Gräber von Fremdarbeitern. Bereits 1953 plante der
Schwarzenbacher Stadtrat eine Gedenkstätte bei einem Massengrab auf dem
Friedhof; bis heute steht ein großes Holzkreuz an der Gräberreihe. Erst
1961 begannen die Ermittlungen gegen Alois Dörr. Er wurde in Hof zu
lebenslanger Haft verurteilt, aber bereits 1979 begnadigt - vom
baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Karl Filbinger, auf
Anregung des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel.
"Ein Anliegen des Freistaats Bayern war es", sagte Ulrich Fritz, "die
zahllosen verstreut liegenden Gräber von Opfern in Flossenbürg
zusammenzuführen." Dagegen wehrte sich die Stadt Schwarzenbach an der
Saale nachhaltig. 50 Jahre alt ist ein Schreiben, aus dem Ulrich Fritz
zitiert. Darin spricht sich der Schwarzenbacher Stadtrat dafür aus, die
"lieben Toten" als Bewusstseinsbildung für die Bevölkerung auf dem
Schwarzenbacher Friedhof zu belassen. Aus heutiger Sicht eine äußerst
sinnvolle Maßnahme, denn die 5000 Gräber in Flossenbürg haben sich
inzwischen in eine parkähnliche Anlage verwandelt; die Verbindung zu den
Herkunftsorten ist verloren gegangen.
"Was bleibt?", fragte Ulrich Fritz. Und gab die Antwort selbst: "Die
wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschehnisse, Friedhöfe und
Gedenkstätten wie der ,Lange Gang' in Schwarzenbach an der Saale und die
unbedingt notwendige Erinnerungsarbeit an das Unrecht und die Quälereien,
die den Menschen angetan wurden."
In der Diskussion nach dem Vortrag zeigt sich das Publikum betroffen
und fachkundig. Einige Anwesenden berichten von Erzählungen der Großeltern
und Eltern, von eigenen Erinnerungen und Erlebnissen. Literatur gibt es
zuhauf, sie zu verstehen und zu interpretieren ist mithilfe des Fachmanns
Ulrich Fritz leichter, aber das wäre einen weiteren Abend mit ihm wert.
Chaotische Zustände
Intensiv gehen Historiker der Frage nach, warum die Todesmärsche
durchgeführt wurden. Häufig gab es keine Befehle mehr; die Opfer hätten
auch freigelassen werden können. Ulrich Fritz nannte Gründe, unter anderem
die Vorhaltung von Arbeitskräften für die Nachkriegszeit, die Reduzierung
der aussagefähigen Opfer oder auch die Absicht des Aufsichtspersonals, die
eigene Haut zu retten. Sicher ist, dass damals unglaublich viele Menschen
unterwegs waren und chaotische Zustände herrschten. Die Order von Himmler
"Kein Häftling darf lebend den Amerikanern in die Hände fallen!" mag eine
Rolle gespielt haben, möglicherweise auch die nicht zu stoppende
Vernichtungsmaschinerie, die sich verselbstständigt hatte. Klaus Rauh war
es, der ergänzend hinzufügte, dass auch die pure Lust am Töten eine Rolle
gespielt haben dürfte - sei doch nachweisbar, dass sich etliche
Aufseherinnen in Helmbrechts Waffen besorgt hatten, obwohl es gar keinen
Tötungsbefehl gab. Dass es auch anders ging, beweisen dagegen die Vorgänge
in Mehltheuer bei Plauen: Hier übergab der Kommandant des Außenlagers die
Häftlinge den Amerikanern.
Das Jubiläum "Zehn Jahre Langer Gang" gab den Rahmen für diesen Abend,
dessen Thema man sicher in einigen Jahren noch genauer wird erfassen
können.
Die Versorgung war eine
Katastrophe, und für die geringsten Vergehen gab es drakonische Strafen.
Historiker Ulrich Fritz über die Bedingungen im
KZ-Außenlager Helmbrechts
Frankenpost
erschienen: 10.11.2014
Pressebericht vom 10.11.2014
von Werner Bußler
Erinnerung an Pogromnacht
In einer Feierstunde gedenken die Bürger der furchtbaren
Ereignisse vom 9. November 1938. In Helmbrechts legen
sie Blumen am Mahnmal im Friedhof nieder.
Helmbrechts- Trotz aller
Freude über den 9. November vor 25 Jahren, als dank einer friedlichen
Revolution sich eine Grenze öffnete, die Landsleute lange trennte, sollten
die Deutschen die Ereignisse vom 9. November 1938, die zu den traurigsten
Kapiteln der Geschichte zählen, keinesfalls vergessen: In der sogenannten
Reichskristallnacht mobilisierte Reichspropagandaminister Goebbels von der
NSDAP Schergen der SA, die im ganzen Land 191 Synagogen in Flammen
aufgingen ließen und weitere 76 jüdische Gotteshäuser demolierten. Die
Gewalttäter plünderten und zerstörten Geschäfte und Einrichtungen, die
Bürger jüdischen Glaubens gehörten. Zehntausende Menschen verschleppten
die Nazis in Konzentrationslager, viele von ihnen fanden dort einen
grausamen Tod. Den Opfern der Pogromnacht wird jährlich in Helmbrecht eine
Gedenkstunde gewidmet. Seit 1995 trifft man sich dazu am Mahnmal im
Friedhof, das an den Todesmarsch jüdischer Frauen von der KZ-Außenstelle
Helmbrechts ins tschechische Volary erinnert.
Bürgermeister Stefan
Pöhlmann, Diakon Holger Goller von der evangelischen Kirchengemeinde, und
Regina Scholz aus Oberkotzau als Vertreterin der Initiativen "Gegen
Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit" sowie "Gegen das Vergessen
der Verfolgten des Naziregimes", gedachten auch heuer der Opfer eines
menschenfeindlichen Regimes. Auf dieses Geschehen müsse die heutige
Generation aufmerksam gemacht werden, um ihr nahezubringen, zu welchem
Hass und zu welchen Handlungen gegen die Humanität Menschen fähig sind,
betonten die Redner. "Damit wollen wir für Toleranz und Menschenwürde
werben", sagte Stefan Pöhlmann. Mit den Worten: "Gerade, damit solche
Untaten nicht mehr vorkommen, ist es wichtig, die Erinnerung daran
aufrechtzuerhalten", bezog Holger Goller klar Stellung zu vereinzelten
Bestrebungen, demzufolge die schreckliche Vergangenheit nicht immer wieder
thematisiert werden sollte. "Christen stehen für Toleranz und Offenheit
gegenüber allen Personen", betonte er, gerade angesichts jüngster
Anfeindungen gegen Ausländer. Immer wachsam gegen Feinde der Demokratie zu
sein, riet Regina Scholz; denn bereits in den nächsten Tagen gelte es,
wieder friedlichen Widerstand gegen eine in Wunsiedel geplante Kundgebung
der rechtsextremen Gruppe "Der dritte Weg" zu leisten.
Die Rednerin wies schließlich zu Veranstaltungen zum zehnjährigen
Bestehen des Langen Gangs in Schwarzenbach an der Saale hin und lud zu dem
Vortrag "Todesmärsche" von Ulrich Fritz von der Stiftung Bayerische
Gedenkstätten am Donnerstag, 13. November, ein und zum Kabarettabend unter
dem Titel "Witz als Widerstand" mit Gerti Baumgärtel am Dienstag, 18.
November. Beide Veranstaltungen finden jeweils um 19 Uhr im evangelischen
Gemeindehaus in Schwarzenbach an der Saale statt. Die Feier in Helmbrechts
sollte auch die Botschaft vermitteln, dass sich die überwiegende Mehrheit
im Land ein friedliches Zusammenleben der Menschen aus den verschiedenen
Nationen wünsche und jegliche ausländerfeindlichen Parolen ablehne.
Deshalb würdigten die Vertreter von Stadt, Kirche und Bürgerinitiativen
auch jene Personen, die sich nach der furchtbaren Naziherrschaft, oft
nicht im Licht der großen Öffentlichkeit, für die Versöhnung zwischen den
Völkern einsetzten. W.
B.
Es ist wichtig, immer wieder an diese Untaten
zu erinnern.
Bürgermeister Stefan Pöhlmann
Stichwort Pogromnacht
Die Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 - auch
Reichskristallnacht oder Reichspogromnacht genannt - waren vom
nationalsozialistischen Regime organisierte und gelenkte
Gewaltmaßnahmen gegen Juden im damaligen gesamten Deutschen Reich.
Dabei wurden vom 7. bis 13. November 1938 rund viele Hundert Menschen
ermordet oder in den Selbstmord getrieben. In dieser Nacht brannten in
Deutschland über 1400 Synagogen, Betstuben und sonstige
Versammlungsräume. Ferner wurden Tausende Geschäfte, Wohnungen und
jüdische Friedhöfe zerstört. Vom 10. November 1938 an wurden
Zehntausende Juden in Konzentrationslagern inhaftiert. Hunderte dieser
Menschen wurde ermordet oder starben an den Folgen der Haft.
Blickpunkt Pressebericht Ausgabe 24.09.2014
Pressebericht
Ronald Dietel
Letzter Gang für Klaus Bruno Engelhardt
Klaus Bruno Engelhardt ist nicht mehr.
Schwarzenbach
an der Saale-
Am Freitag wurde das Urgestein des Widerstands gegen den
Neonazismus, überzeugter Gewerkschafter und leidenschaftlicher Linker in
Schwarzenbach zu Grabe getragen. Mitten aus seinem Schaffen herausgerissen,
ist Engelhardt am 25. April einer schweren Krankheit erlegen. 400 Trauernde
begleiteten ihn auf seinem letzten Weg. Zur Trauerhalle auf dem Friedhof sind
viele Personen aus dem öffentlichen Leben, Gewerkschafter, Funktionäre der
Partei Die Linke sowie deren Bundestags- und Landtagsabgeordnete, gekommen.
Klaus Bruno Engelhardts Rat, aber auch seine Kritik, waren über die
Parteigrenzen hinaus sehr geschätzt. Er war stets um Ausgleich und gemeinsam
gangbare Wege bemüht. Seine ganze Tatkraft widmete er der Schaffung einer
gerechteren Gesellschaft. Engelhardt war Ex-Vorsitzender des VVN-BdA,
Gründungsmitglied des "Vereins gegen das Vergessen". Er ist auch Mitinitiator
der Schwarzenbacher Gedenkstätte "Langer Gang" gewesen. Auf seine Initiative
hin wurde der Kreisverband Hochfranken der Partei Die Linke gegründet. Dessen
Vorsitzender war er sechs Jahre lang. Von 2006 bis 2011 war er persönlicher
Mitarbeiter der Linken-Bundestagsabgeordneten Eva Bulling-Schröter. Der
Höhepunkt seiner politischen Karriere erfolgte im Jahr 2011: Er wurde zum
Landesgeschäftsführer der Linken in Bayern berufen.
Wir sind alle sehr traurig.
Unser ganzes Mitgefühl gilt seiner Familie.
Filmteam arbeitet in der Gedenkstätte
"Langer Gang"
Eine Gruppe junger Leute aus Burghausen besuchte in der vergangenen Woche die
Schwarzenbacher Gedenkstätte "Langer Gang". Dort wird an die über 1100 Frauen
erinnert, die im April 1945 von Helmbrechts aus auf einen Todesmarsch
getrieben wurden; erst in Volary im heutigen Tschechien wurden die
Überlebenden von den Amerikanern befreit.
Gemeinsam mit dem Altöttinger Kreisjugendpfleger Hannes Schwankner arbeiten
die jungen Menschen an einem langfristigen Projekt mit dem Titel "Nazis versus
Demokratie". Sie stellen eine Verknüpfung her zwischen der Zeit des Dritten
Reiches und dem heutigen Deutschland und Europa. Dabei stellen sie sich den
Fragen "Was passierte wann wo wie, was passiert heute wieder? Wo gab und gibt
es Widerstand? Welche Opfer gab es damals und gibt es heute? Wer war damals
Täter und wer ist es heute? Wie stark ist unsere Demokratie heute?
Geschichte erforschen, erarbeiten, ihre Bedeutung, Zusammenhänge und
Kontinuitäten sollen dabei erfahren werden. Gedenkstätten des
Nationalsozialismus sowie andere Orte, die in besonderem Maße von neuen
rechtsextremen Problemen betroffen sind, werden besucht, um vor Ort das
Erarbeitete weiter zu führen, zusammen mit Jugendgruppen, evtl. Überlebenden
und Bündnissen, die vor Ort arbeiten. Das Arbeitsergebnis soll in einem Film
zusammengefasst werden, mit dem anschließend in Schulen etc. weiter gearbeitet
wird.
Die Reise der Jugendlichen begann in ihrem Heimatort Burghausen. Sie ging
weiter nach Dachau, Wunsiedel, über Schwarzenbach/Saale nach Hof und
Regnitzlosau. Eine weitere Fahrt nach Zossen, Dresden, Rostock/Lichtenhagen
und schließlich Auschwitz und Mauthausen ist geplant.
Die Besucherinnen im "Langen Gang" waren zwischen 15 und 23 Jahren alt. Sie
organisierten sowohl das Projekt in seiner Durchführung mit der Reiseplanung,
den Übernachtungen und der Öffentlichkeitsarbeit, als auch inhaltlich die
Kontaktierung von Bündnissen und Überlebenden. Schließlich ging es auch um die
technische Umsetzung der Filmgestaltung und des Drehbuchs.
Auf die Idee zu diesem Projekt kam der Gruppe bei der Recherche zu einem
ehemaligen Lager im Mühldorfer Hart. Auch dazu entstand ein Film, und
gleichzeitig die Einsicht, dass das Bemühen um Erinnerung nicht überall gern
gesehen ist. Manche Fakten werden schlicht als nicht umfangreich genug oder
als nicht erinnerungswürdig eingestuft.
Im "Langen Gang" wurde die Gruppe von Nanne Wienands begleitet, die im
"Verein gegen das Vergessen" mitarbeitet. Sie stand Rede und Antwort,
berichtete über die Gründe und die Anfänge der Schwarzenbacher Gedenkstätte,
die im November 2014 ihr zehnjähriges Bestehen begeht. "Wir werden im November
2014 etwa eine Woche lang verschiedenste Veranstaltungen organisieren, die dem
Vergessen entgegenwirken sollen," erklärte sie. Sollte dann der Burghausener
Film bereits fertig sein, könnte er Bestandteil des Programms werden.